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Archiv-Artikel

DIE GESELLSCHAFTSKRITIK Verqueert

WAS SAGT UNS DAS? Eine Journalistin und eine Filmemacherin produzieren Kinowerbung, in der Homosexualität die Norm ist

Die Idee ist nicht nur gut gemeint, sondern trägt in sich emanzipatorischen Gehalt: Die Autorin Carolin Emcke und die Filmemacherin Angelina Maccarone haben drei von der Heinrich-Böll-Stiftung finanzierte Clips für YouTube und für die Kinowerbung produziert.

Unter dem Titel „Tolerant? Sind wir selber“ werden die gewöhnlichen Macht- und damit Wahrnehmungsverhältnisse an der Homo-&-Hetero-Front radikal umgedreht, besser: verqueert. Zu sehen sind, man muss hier die Pointen leider verraten, drei Situationen, in denen nicht lesbische und schwule Lebensverhältnisse widernatürlich sind, sondern heterosexuelle.

Eine junge Frau traut sich nicht, ihren neuen Freund vorzuzeigen. Die anderen sorgen sich: Was soll aus uns werden? Hast du dir das auch gut überlegt? Passt das überhaupt? Kommt vielleicht nicht noch die Richtige? In einem anderen Beitrag warnen zwei Eltern (Männer!) ihr Kind, das bei einer Klassenkameradin übernachten möchte: Deren Eltern sind eine Frau-Mann-Kombination. Kann das gut gehen? Wird es nicht zu gemischtgeschlechtlichen Gefährdungen kommen? Hübsch anzusehen sind diese Filme, gleichwohl ließe sich einwenden: So neu ist der Plot nicht. Schon in den siebziger Jahren stand in der Schwulenzeitschrift Schwuchtel eine Art umgedrehte Lebensfibel für den werdenden Homo zu lesen.

Warum nicht? Heteros bilden sich seit Jahrtausenden ein, einziger Naturausdruck der Sex- und Familienverhältnisse zu sein – und signalisieren Homos, dass sie von der Norm abweichen. So könnte man die Filme mit dem Argument zurückweisen: Kennen wir schon.

Liest man jedoch die Bilanz des Lehrer und Bloggers Stefan Sasse (www.wiesaussieht.de), der das pädagogische Material der Gewerkschaft GEW zum Homo-&-Hetero-Thema im Unterricht anwandte, weiß man: Die Zuspitzung kommt bei SchülerInnen so wenig an, dass sie allein den Weg zur Pointe kognitiv nicht zu begreifen imstande waren, so sehr sitzt in ihnen der Glaube, nur was hetero ist, sei das Angemessene.

Insofern: Mehr von solchen Filmen, die Arbeit im Weinberg wider den heteronormativen Aberglauben wird offenbar noch lange dauern. JAN FEDDERSEN