Gronauer Speck

Gegen die Urananreicherung wird im münsterländischen Gronau kaum protestiert – gegen ein Chemielager schon

„Gronau bekommt den Speck, und Ahaus den Dreck“: So wurde im Gronau der siebziger Jahre für den Bau einer Urananreicherungsanlage geworben. Und die zynische Logik des Slogans ging auf – während es zu heftigen Protesten gegen das „Brennelemente-Zwischenlager“ im rund 30 Kilometer südlich gelegenen Ahaus kam, blieb es in Gronau vergleichsweise ruhig. Die Gronauer Urananreicherungsanlage der Firma Urenco arbeitet bis heute, wird sogar ausgebaut. Bis zu 35 Atommeiler wird das Tochterunternehmen der Atomstromkonzerne RWE und Eon bald versorgen können.

Grund für die Zurückhaltung der Gronauer ist die Finanzkraft der Urenco. Die Urananreicherer bieten nicht nur 181 teils hochqualifizierte Arbeitsplätze. Mit rund einer Million Euro sind sie auch einer der größten Steuerzahler des 31.000 Einwohner zählenden Städtchens. Und Gronau kann das Geld gut brauchen: Noch heute leidet das Nordmünsterland unter dem plötzlichen Zusammenbruch der Textilindustrie, die der Stadt Anfang der Achtziger eine Arbeitslosenquote von über 20 Prozent brachte. Die Ruinen des 1982 abgewickelten Textilkonzerns van Delden dominieren weiter den Rand der Innenstadt – die Landesgartenschau 2003 konnte daran ebenso wenig ändern wie das seit seiner Eröffnung 2004 unter Besucherschwund leidende Rock- und Popmuseum.

Doch jetzt wehren sich die Gronauer: Gegen den Betrieb eines der größten Gefahrstofflagers Nordrhein-Westfalens wächst der Widerstand in der Stadt. Morgen Vormittag geht es beim Verwaltungsgericht Münster um eine Klage des Gronauer Natur- und Umweltschutzvereins gegen die Spedition Drost. Die lagert gleich neben der Urananreicherungsanlage 5.000 Tonnen Chemikalien, darunter Pestizide, Farben, Lacke, Medizinabfälle. Dieser Dreck muss weg, findet eine Mehrheit der Gronauer: Mehr als 2.000 Einsprüche gingen beim Umweltamt Herten als Genehmigungsbehörde ein, und im Rat der Stadt stimmte nur die FDP für das Gefahrstofflager.

Gebaut wurde 2003 trotzdem – die Stadt hatte wichtige Einspruchsfristen schlicht verschlafen. Dennoch klagt die Spedition, ebenfalls vor dem Verwaltungsgericht, jetzt auch noch gegen Sicherheitsauflagen. Dabei könne selbst die Feuerwehr das Gelände kaum erreichen, argumentieren Umweltschützer. Und dabei setzt Gronau auch auf den Wirtschaftsfaktor Tourismus.ANDREAS WYPUTTA