Gründerzeit für Künstler

Am Anfang stand die Kürzung des Geldes. Am Ende ein Symposion und die Gründung einer Stiftung: Wie Hamburger Künstler die Kulturbehörde bezwangen – vorerst

Ist der Staat verpflichtet, Subkultur zu finanzieren? Regelmäßig – oder nur, wenn ein paar Brosamen übrig sind? Will andererseits der autonome Nachwuchskünstler Geld vom Staat; verletzt es nicht seinen Stolz, wenn er immer wieder bei Politikern die Hand aufhalten muss?

Klare Antworten fallen schwer, und auch die subkulturelle Künstlerszene vertritt unterschiedliche Positionen. Vom Anschmiegen an staatliche Kunstwettbewerbe – etwa zur Aufhübschung der Hamburger Hafencity – bis zur Totalverweigerung reichen die Reaktionen. Kein Ausweg findet sich aus dem Dilemma, das Finanzpolitiker gern ignorieren: dass die Produktion von Kunst Geld kostet und dass Freiräume, die Programmförderung, Arbeitsstipendien und Gastateliers gewähren, essentiell sind – bei nicht messbaren Resultaten.

Dabei sind die staatlichen Fördergelder für Künstler-Initiativen nicht üppig. Doch auch mit wenig kann man sich arrangieren. Daher war der Aufschrei der Hamburger Künstlerhäuser groß, als ihnen 2005 ohne Vorwarnung das Geld gekürzt und umverteilt wurde. Eine eigentlich hilflose Reaktion der Kulturbehörde auf die wachsende Zahl an Initiativen.

Ein wenig hatte die Behörde wohl auch auf die Zersplitterung der Szene gesetzt. Das Gegenteil trat ein: Sehr zügig schlossen sich die Künstlerinitiativen zusammen, um Mitbestimmung und Gespräche einzufordern. Eine für die individualisierte Szene rare Solidarität, die Wirkung zeigte: Bald war ein Treffen mit der Kultursenatorin, später ein runder Tisch ertrotzt.

Eine Entwicklung, die Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) zunächst skeptisch, dann gesprächsbereit verfolgte. Die Folge war eine Wieder-Aufstockung der Gelder für das laufende Jahr – eine kurzsichtige Aktion, war das Geld doch der Einzelkünstlerförderung entzogen worden. „Eine Lösung, mit der niemand zufrieden ist“, so der Hamburger Künstler Tim Voss. „Mittelfristig muss das Geld aufgestockt werden.“

Eine Forderung, die angesichts knapper Kassen zum sofortigen Abbruch der Gespräche führen kann – doch in diese Falle tappten Behörde und Künstler nicht. Das Resultat: Von der Kulturbehörde eingeworbenes Geld für ein Symposion der Künstlerinitiativen, das heute in Hamburg beginnt. „Wir sind woanders“ lautet das Motto; das Ziel: Präsentation der Kunst-Orte sowie ein Kongress, der den Stellenwert der Subkultur beleuchtet.

Expliziter Zweck des Symposions: die Vorbereitung einer Verbrauchsstiftung – eine Aufstockung der behördlichen Programmförderung gewissermaßen. Die Kultursenatorin will Mäzene suchen helfen. Denn dass ihre Behörde keine weiteren Mittel geben kann, glauben ihr die Künstler inzwischen. Dass sie initiativ werden müssen, wissen sie auch. „Natürlich birgt solches Engagement die Gefahr, dass sich der Staat aus seiner Fürsorgepflicht zurückzieht“, sagt Voss. Aber das müsse man riskieren, wenn man überleben wolle.

Andererseits hat wohl auch die Kulturbehörde begriffen, dass Subkultur ein wichtiger Teil des Kunstbetriebs ist. Und ist auf den Karren aufgesprungen. Man hofft, aus Einsicht. Man fürchtet, aus Scheu vor der geballten Kraft der Künstlerschaft. Fazit: Solidarität hilft. Auch im Umgang mit Kulturpolitikern. PETRA SCHELLEN

2.–12. 11., Museumsstraße 31, Hamburg; www.wirsindwoanders.de