Die gnädige Britta

Der erste schwere Orkan in diesem Herbst sorgt an Teilen der Küste für Rekordwerte. Insgesamt aber war er weniger schlimm als vorhergesagt

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Britta war gnädig. Der erste schwere Orkan in der Sturmsaison an Norddeutschlands Küsten richtete weniger Schäden an als befürchtet. An der schleswig-holsteinischen Westküste meldeten die Halligen zwar Land unter, auch musste der Fährverkehr zu den Inseln Amrum und Föhr für mehrere Stunden eingestellt werden. Die Wasserstände blieben aber überall deutlich unter den Deichhöhen. Dafür tobte der Sturm in niedersächsischen Wattenmeer umso heftiger, nachdem er am Vormittag von Nordwest auf Nord gedreht hatte.

Die ostfriesische Küste hingegen erlebte eine der schwersten Sturmfluten seit 100 Jahren. Die Pegelstände erreichten vielerorts Rekordwerte, die Windgeschwindigkeiten ebenfalls. Auf der Insel Borkum wurden Böen von 145 Stundenkilometern gemessen. Dort kenterte ein niederländischer Seenotrettungskreuzer bei einem Einsatz, zeitweise wurde befürchtet, er sei gesunken. Die vier Besatzungsmitglieder meldeten sich erst am Nachmittag unversehrt per Handy. Das 19 Meter lange Boot sei drei Mal gekentert, berichteten sie, habe sich aber immer wieder von selbst aufgerichtet. Der Kreuzer war in zehn Meter hohen Wellen zusammen mit deutschen Schiffen auf dem Weg zum Frachter „Clementina“ gewesen, der in Seenot geraten war.

Zum zweiten Mal seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 2002 wurde das Emssperrwerk bei Gandersum (Kreis Leer) am Morgen geschlossen. Dort erreichte der Pegelwert mit rund 3,90 Meter über dem Normalwert einen Höchststand. An der Emsmündung wurde mit rund 3,60 Meter der höchste jemals gemessene Wert registriert. Für das Abendhochwasser rechneten die Behörden mit niedrigeren Werten.

Im Hamburger Hafen fiel die Sturmflut mit 2,58 Metern über dem mittleren Hochwasser nicht so dramatisch aus wie erwartet. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie war ursprünglich von drei Metern und erheblichen Überschwemmungen im Hafenbereich ausgegangen.

Der Fischmarkt in Altona wurde dennoch einen Meter hoch überflutet, die historische Fischauktionshalle ragte wie eine Insel aus der Elbe. Weite Teile des Hafens wurden vorübergehend gesperrt. Die höchsten Pegelstände waren für 11 Uhr erwartet worden, aber bereits eine Stunde vorher erreicht.

Ungewöhnlich war, dass die Flutwelle sogar das Elbestauwehr bei Geesthacht oberhalb von Hamburg erreichte und dieses bergauf überflutete. Eigentlich hat der Fluss in Richtung Hamburg ein Gefälle von rund drei Metern. „So ein extrem schnell auflaufendes Hochwasser haben wir hier noch nie erlebt“, wunderte sich Ingenieur Rainer Zepernick vom Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg. Eigentlich sei das Sperrwerk „nicht dafür ausgelegt, von dieser Seite Druck zu bekommen“.

Am Nachmittag wütete Britta vor allem auf der Ostsee. Der Fährverkehr zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rødby in Dänemark wurde schwer beeinträchtigt, die innerdänische Brücke über den Großen Belt wurde zeitweise komplett gesperrt. An der mecklenburgischen Ostseeküste stieg der Pegel auf anderthalb Meter über dem normalen Niveau und zog auch hier den Fährverkehr in Mitleidenschaft.