neues aus neuseeland: mama lernt englisch beim gotcha!-schießen von ANKE RICHTER
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Dass es Sommer wird im Süden, merkt man daran, dass sich Besuch ankündigt. In solchen Zeiten halten Deutsche eng zusammen, denn nur Menschen unserer Herkunft wissen, was einem bevorsteht. Kaffeeklatsch und Kriegsrat hilft da.

Rita, Stefanie, Tine und Sonja backen. Süß-sauer schmeckt der Rhabarberkuchen, süß-sauer klingelt es in unseren Ohren. Tine und Sonja, so gut wie verheiratet und demnach ein Paar, haben Herrenbesuch. Sie kennen ihn nur über drei Ecken. Der junge Mann hält den Garten in Schuss. Dafür spielen Tine und Sonja Gastgeber. Was in dem Fall heißt: Erkläre ihm die weite Welt der Frauenliebe. Denn für nichts anderes scheint der Jüngling sich zu interessieren, seit er sich auf Lesbos wähnt. Nach jeder Folge von „The L-Word“ kommen die Fragen. Es nervt.

Irgendwie kann es der Gast-Gärtner kaum glauben, wo er da gelandet ist. Faszinierend, was einem als Tourist alles geboten wird – fehlen nur noch die Begleitvideos. Das Ziel seiner Träume scheint Sonja-Tines Doppelbett zu sein. „Füllt ihn doch einfach abends ab, bis er nichts mehr weiß“, schlägt Stefanie dem ratlosen Duo vor. „Am nächsten Morgen macht ihr ihm dann Komplimente, wie toll die Nacht war. Da wird er sich aber grün ärgern …“

Sie kennt sich mit männlichen Besuchern bestens aus, seit Karl-Heinz und Hans-Jürgen – so hießen sie tatsächlich – auftauchten. Auch sie waren ihr nur über drei Ecken bekannt. Dummerweise hatte Steffi auf ihre Mail geantwortet, was sie seitdem auch nie wieder macht. Als sie die beiden in der Fußgängerzone stehen sah, wo sie verabredet waren, wäre sie spontan am liebsten einfach weitergefahren. Schon von weitem waren die beiden mit Socken in Sandalen als Karl-Heinze erkennbar.

Sie hatten tatsächlich ihre Hollandräder mitgebracht – Südalpen hin oder her. Da sie kein Wort verstanden, bestellten sie sich in dem Fastfood-Lokal, in das Steffi sie führte, vorsichtshalber eine Bratwurst. Stunde um Stunde beschrieben sie ihr jeden Quadratmeter, den sie auf den Touristenpfaden Aucklands seit der Ankunft gemeistert hatten – eine Stadt, in der Stefanie viele Jahre gelebt hatte. Es war ein einziger ewiger Wolfgang-Petry-Moment: Hölle, Hölle, Hölle.

Wir seufzen mit Schaudern und Kuchenkrümeln im Mund auf. Doch es kommt noch schlimmer. Nächste Woche rückt Ritas Mutter an. Kann kein Wort Englisch, war einmal auf Teneriffa, will bis Ende April bleiben. Sechs Monate! Wir Kaffeetanten sind bestürzt. „Was machst du denn so lange mir ihr? Kannst sie doch nicht pausenlos auf Rundreise schicken.“

Rita hat schon eine Lösung: „Englischkurs. Jeden Vormittag. Und nachmittags dann Konversationskurs.“ Sonja wirft ein: „Aber da sitzt sie doch mit lauter 18-jährigen Koreanern. Worüber soll sie sich mit denen unterhalten?“ Doch Rita hat bereits herumtelefoniert. In einer Sprachschule hatte sie einen 72-jährigen Herrn am Ohr, der ihr versicherte: „Das Alter ist kein Problem. Außerdem bieten wir sehr nette Freizeitgestaltung an, das wird der Mama gefallen.“ Was denn, fragen wir. Bridge? Bingo? „Gotcha!“, sagt Rita, „Farbpistolenschießen“. Sonja und Tine schlagen vor, ihren Gärtner mitzuschicken. „Zur Abkühlung.“