„Israels Regierung ist gelähmt“

Der Abgeordnete der Arbeitspartei Avischai Braverman zur Erweiterung der Koalition

taz: Herr Braverman, Sie gehören innerhalb der israelischen Arbeitspartei zu den Gegnern der Koalitionserweiterung um den Rechtsaußenpolitiker Avigdor Lieberman. Warum?

Avischai Braverman: Die Arbeitspartei darf nicht mit einem Mann in der Regierung sitzen, der einen Teil der Bürger [die Araber] des Staates Israels negiert. Die Partei verliert zunehmend ihre Glaubwürdigkeit. Wir haben wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen versprochen, gehalten haben wir davon so gut wie nichts. Wir haben vor den Wahlen klargestellt, dass wir niemals mit Lieberman zusammengehen. Heute zerfällt die Partei in alle Richtungen. Sie wurde zu einem Wischlappen in der Regierung Ehud Olmerts. Sie lässt sich kaufen – hier einen Vizeministerposten, dort einen Kommissionsvorsitz.

Glauben Sie, die Arbeitspartei wäre in der Opposition besser aufgehoben?

Ich will, dass die Arbeitspartei eine echte alternative Regierungspartei ist. Die jetzige Regierung hat keine Agenda mehr, keine Inhalte. Sie wird die Legislaturperiode nicht durchstehen. Die Arbeitspartei muss sich besinnen und wieder eine Alternative werden mit ihrem Kampf für eine sozialdemokratische Wirtschaft, eine vernünftige Sicherheitspolitik und echter Demokratie. Stattdessen wird die Partei aufgrund der derzeitigen Führungspolitik immer mehr zu einer irrelevanten Bewegung. Ohne mich.

Lieberman geht mit nur einem Ministerposten in die Regierung und wird damit die Ziele der Arbeitspartei nicht wirklich gefährden. Warum also die Aufregung?

Es gibt Grenzen. Olmert und Lieberman – das bedeutet eine gelähmte Regierung. Man muss sich nur das Programm der „Israel Beitenu“ [Liebermans Partei Unser Heim Israel, d. Red.] ansehen. Damit wird es weder Fortschritte im Friedensprozess geben noch auf sozialökonomischer Ebene. Dazu kommt, dass wir der Welt ein schreckliches Signal geben. Mein Telefon klingelt pausenlos – Anrufe von arabischen Israelis, die sagen, dass sie nie wieder ihre Stimme der Arbeitspartei geben werden.

Dass die Regierung gelähmt ist, liegt doch nicht nur an Lieberman?

Die Regierung ist unglaubwürdig, und die Arbeitspartei gibt ihr Rückendeckung. Wenn die sozialdemokratischen Minister sagen würden: „Ohne uns“, dann bliebe Lieberman draußen. Die ganzen letzten Jahre sind wir aus nationaler Verantwortung in der Regierungskoalition geblieben. Wenn wir mitregieren, hieß es immer, dann können wir das Schlimmste verhindern. Was bitte? Wir sind der Fußabtreter der Regierung. In der Politik muss es Prinzipien geben. Wir sind mit klaren Versprechungen in die Wahlen gegangen. Nichts ist umgesetzt worden. Die Partei muss sich auf ihre alten Werte besinnen, anstatt an Posten und scheinbarer Macht festzukleben.

Tatsache ist, dass nicht nur Lieberman Prozesse aufhält. Ihr Parteichef, Verteidigungsminister Amir Peretz, plant, einige der „illegalen Siedlervorposten“ nicht zu räumen, um die Siedler nicht zu verärgern.

Diese Regierung ist bankrott. Sie hat nichts von ihren Versprechungen umgesetzt, sie ist eine gelähmte Regierung ohne Inhalte.

Was hätte mit Blick auf den Friedensprozess unternommen werden sollen? Kann derzeit überhaupt etwas vorangetrieben werden?

Vorläufig geht es in erster Linie um innenpolitische Angelegenheiten, um die Stärkung Israels von innen. Das muss durch den Kampf gegen die Armut passieren, gegen die Korruption und Bürokratie. Es geht jetzt um eine glaubwürdige Regierung mit anständigen Politikern, die den Staat von innen stärken, um dann dem Nachbarn offen gegenüberzutreten.

INTERVIEW: SUSANNE KNAUL