Reise nach Washington: Merkel soll TTIP retten

EU Auch Brüssel sorgt sich um die deutsche Zustimmung zum Freihandelsabkommen

BRÜSSEL taz | Rückt Deutschland vom geplanten transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP ab? Bei der EU-Kommission in Brüssel macht man sich große Sorgen. Alle Hoffnungen ruhen jetzt auf Kanzlerin Angela Merkel, die am Freitag in Washington eine Rede hält – die CDU-Chefin soll den Fans des Freihandels neuen Mut machen.

Aus Vizekanzler Sigmar Gabriels Sicht seien spezielle Vorschriften zum Investitionsschutz, das so genannte ISDS, „nicht erforderlich“, schrieb Gabriel Ende März in einem Brief an EU-Handelskommissar Karel De Gucht. Beim Investitionsschutz liege „ein sensibler Kernpunkt, der am Ende über die Zustimmung Deutschlands entscheiden kann“, warnte er.

Seither sorgt sich De Gucht um den Rückhalt aus Berlin. Grüne, Linke und Gewerkschaften sind ohnehin gegen TTIP.

Den Kritikern in Deutschland ist es bisher aber nicht gelungen, das Abkommen zu einem zentralen Thema im Europawahlkampf zu machen. SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz nahm am Montag zwar 460.000 Unterschriften von der NGO „Campact“ entgegen. Schulz sprach sich bei dieser Gelegenheit auch für einen „Neustart“ der Verhandlungen aus. Er wandte sich jedoch gegen einen kompletten Abbruch. Auch Gabriel scheint seine Position zu überdenken. Er hat De Gucht und den amerikanischen Verhandlungsführer Michael Froman für den 5. Mai nach Berlin eingeladen.

Dennoch bleibt die EU-Kommission auf der Hut. Sie fürchtet offenbar, Berlin oder Paris könnten versuchen, TTIP über die nationalen Parlamente doch noch zu Fall zu bringen. Sie könnten bei der Ratifizierung des fertigen Abkommens Bedingungen stellen oder mit einem Nein drohen. De Gucht will das Ratifizierungsverfahren jedoch erst festlegen, wenn das Abkommen ausgehandelt ist. Dann werde sich zeigen, wer rechtlich zuständig ist. Um Zweifel auszuräumen, erwägt die Kommission, eine Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg einzuholen, sagte De Guchts Sprecher John Clancy.

Eine Klage gegen Berlin, wie diese Woche berichtet, sei nicht geplant. Schließlich will man Kanzlerin Merkel nicht ärgern. Bei einer Rede vor der US-Handelskammer will sie am Freitag für TTIP werben – und die Sorgen in Brüssel zerstreuen. ERIC BONSE