randnotizen aus dem US-Wahlkampf (3)
: Keine Lust auf Niederlagen: 2006 ist das Jahr der „gewesenen Republikaner“

Die Menschen in den USA gelten als praktisch, ungeduldig, ergebnisorientiert. Wenn also der in Aussicht gestellte Kuchen nach dem Zerteilen nicht auf dem eigenen Teller landet, dann verlässt man die Geburtstagsparty – auch wenn’s die eigene war. So muss es nicht verwundern, dass 2006 als das Jahr der „gewesenen Republikaner“ gilt. Noch nie zuvor haben so viele Konservative die Seiten gewechselt und kandidieren nun als Demokraten.

Da ist zum Beispiel der etwas bleiche Jim Webb, einst Staatssekretär der Marine unter Präsident Ronald Reagan, der heute als Demokraten-Kandidat sein Glück im US-Bundesstaat Virginia versucht. Da sein Gegner der solariumgebräunte republikanische Senator George Allen ist, muss sich Webb ein bisschen aufmuskeln, um neben dem Steuern-runter-Gewehre hoch-Allen nicht allzu weicheierig auszusehen. Daher trägt Jim Webb jetzt gerne Kampfstiefel und kaut Tabak, für den Virginia bekannt ist.

Außer ihm kämpfen die Ex-Republikaner Christine Jennings (Florida), Jack Davis (New York) und im sehr flachen Bundesstaat Kansas gleich neun ehemalige Konservative im neuen Demokraten-Look. Unter ihnen ist sogar der frühere republikanische Parteivorsitzende von Kansas, Mark Parkinson, der in diesem Jahr lieber gewinnen möchte – und zwar als Vizegouverneur auf einem Ticket mit der sehr erfolgreichen und sehr demokratischen Gouverneurin von Kansas, Kathleen Sebelius. Da konnte es nicht mehr überraschen, dass der stramme Law-and-Order-Verfechter Tom Morrison, ein Karriere-Anwalt mit schusssicherem Lebenslauf und der Vorliebe, Killer hinter Gitter zu bringen, sich plötzlich als demokratischer Staatsanwalt bewarb. Ein Job, für den man in den einzelnen US-Staaten kandidieren muss.

Auch Tim Mahoney ist ein Typ, der keine Lust auf Niederlagen hat, und ein Mann, den republikanische Herzen einfach mögen. Er hat genug Talent, um eine Rinderfarm und eine Karriere als Investment-Banker zu steuern. Doch auch Mahoney hat rüber gemacht, weil er die „Schnauze voll hat“. Nun kämpft er als Wolf im Schafpelz für den Sitz, den der skandalumwitterte Republikaner Mark Foley räumen musste, nachdem ruchbar wurde, dass er Schülerpraktikanten des Kongresses sexy SMS gesimst hatte. Mahoney nennt Reagan seinen Polit-Helden und sich selbst einen Christlich-Konservativen, der für noch weniger Steuern ist. Was daran demokratisch ist? Na, dass man ihn wählen kann, stupid! ADRIENNE WOLTERSDORF