Schwirren im eigenen Licht

PAULA-PREIS Mit einer eingesperrten Motte hat der Bremer Christian Haake den erstmals vergebenen Paula-Modersohn-Becker-Preis gewonnen. Mit dem will der Landkreis sein provinzielles Image aufpolieren

Um das Schmoren im eigenen Saft zu verhindern, hat man den Topf vergrößert

Nicht alle Kunstpreise sind so gut, wie ihre Gewinner. Christian Haake zum Beispiel, Jahrgang 1969, kann mit seiner Kunst starke Emotionen und wunderbare Verwirrung auslösen. Jetzt hat er in Worpswede den Paula-Modersohn-Becker-Kunstpreis 2010 erhalten, und über den lässt sich noch nicht so viel sagen, außer, dass er im Landkreis Osterholz-Scharmbeck natürlich sehr hoch angesehen ist, Chefsache, wie es so schön heißt. Und das ist doch ein dolles Ding, welcher Kunstpreis könnte das von sich sagen.

Haake hat mit zwei Guckkästen am Wettbewerb teilgenommen: Der eine heißt „der gefangene floh“. Es ist ein räumlicher Miniaturnachbau des Dachstübchens von Spitzwegs Gemälde „Der Arme Poet“ – der im Original Mittelfinger und Daumen der rechten Hand so aneinander presst, als knacke er zwischen ihnen gerade einen Lästling – total detailgetreu mit Schirm, Büchern und Wäscheleine, allerdings ohne Poet.

Gefangen hingegen ist „die Motte“, so heißt das zweite Diorama, das genau genommen eine Intervention in die Beleuchtung der Worpsweder Großen Kunstschau genannt werden müsste. Licht spenden nämlich quadratische, in die Decke eingelassene Lampen mit Pleximilchglas-Abdeckung. Und in einem von ihnen – aber jetzt nicht in tierschützerischen Furor verfallen – sitzt eine Motte. Es ist bloß eine Silikonmotte, und ihre Bewegung wird von einer SP-Steuerung kontrolliert nebst Minimotor und einer komplizierten Konstruktion, bei der eine Gitarrensaite eine Rolle spielt.

Die Kunstmotte, die da als dunkler Fleck in ihrem Licht schwirrt, kann kinematografische Assoziationen wecken, wunderbar stören oder als subtiler Kommentar zum Preisgeschehen verstanden werden. Haake, in Bremerhaven geboren, gehört schon seit geraumer Zeit zu den zwei, drei Bremer KünstlerInnen, denen Fachleute zutrauen, dass sie nicht ihr Leben lang Bremer KünstlerInnen bleiben müssten. Und die daher die regionalen Preise unter sich ausmachen, wie den Bremer Förderpreis für Bildende Künste oder den Preis der Hochschule für Künste. Die nun alle zwei Jahre vergebene Paula-Trophy ist da natürlich eine prima Ergänzung, denn Bremer Künstler zu sein, ist kein gutes Geschäftsmodell.

Im Teufelsmoor aber hatte es für böses Blut gesorgt, dass der Paula-Preis den alten Landkreiskunstpreis abgelöst hat. Denn den hatten sich regelmäßig die Worpsweder Blumenbild-SpezialistInnen abgeholt. Die schauen nun in die Röhre: Um der „künstlerischen Eigenständigkeit und Unbedingtheit seiner Namensgeberin“ Rechnung zu tragen, dürfen sich für den neuen Preis nämlich nicht mehr nur Landkreiskinder bewerben, was ja zum ständigen Schmoren im eigenen Saft geführt hatte.

Stattdessen hat man den Topf erweitert: Der neue Preis steht allen KünstlerInnen offen – die in der Metropolregion Bremen-Oldenburg leben. Man müsse schließlich, erläutert Landrat Jörg Mielke, „künftig auch regional denken“. Denn Region ist ein sehr viel netteres Wort als Provinz, auch wenn es so ziemlich das gleiche bedeutet.BENNO SCHIRRMEISTER