Deligöz will weiter debattieren

Trotz Morddrohungen will die Grüne Ekin Deligöz sich auch künftig dafür einsetzen, dass Muslimas das Kopftuch ablegen. Dabei erhält sie nun Rückendeckung aus der Politik

„Für mich ist das, was Deligöz sagt, Unsinn. Aber sie soll es weiter sagen dürfen“

BERLIN taz ■ „Ich habe keine Angst“, erklärt Ekin Deligöz. Schließlich sei das, was sie verteidige, „ein kostbares Gut – die Freiheit“. Nachdem immer mehr Politiker ihre Solidarität mit der grünen Abgeordneten bekunden, bekräftigte sie gestern ihren Willen, die Debatte um das Tragen von Kopftüchern weiter fortzusetzen. Es gehe ihr nicht darum, das Kopftuch zu verteufeln oder die Meinungsfreiheit gegen die Religionsfreiheit auszuspielen. Entscheidend sei, dass muslimische Frauen selbst entscheiden können, ob sie ein Kopftuch tragen wollen oder nicht.

In einem Interview mit der Bild am Sonntag hatte Deligöz Muslima in Deutschland aufgefordert, als Zeichen der Integration das Kopftuch abzulegen. „Kommt im Heute an, kommt in Deutschland an. Ihr lebt hier, also legt das Kopftuch ab“, appellierte sie und bezeichnete die Kopfbedeckung als „ein Symbol der Unterdrückung“. Und weil offenbar auch strenggläubige Muslime das Blatt mit den Bildern nackter Frauen lesen, erreichten Deligöz jede Menge Schmähbriefe und Morddrohungen. In türkischen Zeitungen wurde sie als „Schande für die Menschheit“ und als „Nazi“ beschimpft. Deligöz erhält seit letzter Woche Personenschutz.

Die Drohungen schrecken die deutsch-türkische Politikerin aber nicht ab. „So heftig, wie die Reaktionen ausfallen, ist es ein Zeichen dafür, dass diese Debatte überfällig ist“, sagt Deligöz. Sie rief dazu auf, die Diskussion auf einer „sachlichen Ebene“ zu führen. Dabei erhält sie nun Rückendeckung von vielen Seiten.

„Ein solches Klima des Hasses gegen eine Person, die lediglich ausspricht, was viele denken, ist nicht hinnehmbar“, erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. „Wer hier lebt, muss unsere Werte akzeptieren“, so Pofalla. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein nannte die Drohungen einen „unverhohlenen Versuch, die Meinungsfreiheit einzuschränken und damit die Grundlagen unserer Rechtsordnung zu erschüttern“. Unions-Vizefraktionschef Wolfgang Bosbach rief „alle Demokraten innerhalb und außerhalb des Parlaments“ zur Solidarität mit der Grünen-Politikerin auf. Innenminister Wolfgang Schäuble kündigte an, dass der Gesetzgeber mit „aller Entschiedenheit durchsetzen werde, dass man diese Meinung auch äußern darf und dass man dafür eigentlich nicht Polizeischutz braucht“. Er forderte die Muslime in Deutschland auf, unterschiedliche Meinungen zur Rolle der Frau zu akzeptieren. Eine Aufforderung, mit der sich viele schwertun.

Die Grünen-Fraktion hatte am Dienstag fünf Islam-Vertreter eingeladen, um über den Fall Ekin Deligöz zu sprechen. Einigen konnten sich die Muslime und die Politiker aber nur in einem Punkt: Die Meinungsfreiheit müsse gewahrt werden. Die Rolle des Kopftuchs selbst wurde kontrovers beurteilt. „Wir waren erschrocken zu sehen, was Deligöz für Reaktionen geerntet hat mit diesem Appell“, sagte Mounir Azzaoui vom Zentralrat der Muslime. Er betonte aber, dass sein Verband eine andere Position zum Kopftuch einnimmt als die Grünen-Politikerin.

Ali Toprak, Generalsekretär des Zentralrats, verwies auf unterschiedliche Ansichten auch unter den Muslimen. Aber auch Toprak hob hervor, die Meinungsfreiheit müsse als „hohes Gut“ verteidigt werden.

Wesentlich weniger diplomatisch formulierte Kenan Kolat seine Meinung. „Was sie gesagt hat, ist für mich Unsinn“, sagt der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Die Äußerungen würden die Vorurteile gegen Muslime weiter verstärken. „Aber trotzdem soll sie das weiter sagen dürfen“, betonte Kolat.

Das hat Deligöz auch vor. Sie machte nach dem Treffen mit den Verbandsvertretern klar, dass sie ohne Abstriche zu ihren Äußerungen steht. Wer das Kopftuch freiwillig trage, solle dies auch weiterhin tun.

Für sie selbst aber stehe das Kopftuch „für eine bestimmte Form von Rollenzuweisung und von Patriarchat“. In dieser Auffassung fühle sie sich durch die Reaktionen auf ihren Appell an muslimische Frauen und Mädchen bestätigt. CIGDEM AKYOL