: Kubiz
Das Kultur- und Bildungszentrum in Berlin-Weißensee bietet Raum für Initiativen und aktive Menschen
Das KuBiZ befindet sich in der Bernkasteler Str. 78, in Berlin-Weißensee
■ Führungen und Information jeden Mittwoch zwischen 16 und 17.30 Uhr oder auf Anfrage:
■ Informationen über die Projekte, Vermietung von Aula, Turnhalle oder Seminarräumen unter:
Das Haus in der Bernkasteler Straße hat ein bisschen was von einer Festung. Die ehemalige Raoul-Wallenberg-Oberschule ist wie viele andere repräsentative Gebäude in Weißensee ein Bau des Architekten Carl James Bühring, der das Gesicht Weißensees um die Jahrhundertwende entscheidend geprägt hat. Heute befindet sich hier ein Kultur- und Bildungszentrum. Das KuBiZ Raoul Wallenberg. Mit diesem Namen schließt das Projekt, das im Mai 2009 die Verträge für das leer stehende Gebäude unterschrieben hat, historisch an die ehemalige Schule an. Raoul Wallenberg war ein schwedischer Diplomat, der während des Holocaust tausende ungarischer Juden vor dem Tod gerettet hatte, nach Kriegsende nach Russland verschleppt worden und dort auf ungeklärte Weise zu Tode gekommen ist.
Als ich das Büro betrete, werde ich gleich weiter in die Küche mit großem Aufenthaltsraum geleitet – und damit in den zweiten der beiden „offenen Räume“, die keinem bestimmten Projekt zugeordnet sind. Um zu verstehen, wie das hier läuft, lautet meine erste Frage, ob ich in dem Büro arbeiten könnte, ohne Mitglied im KuBiZ zu sein. Natürlich! Also würde ich einfach fragen? Nein, fragen musst du nicht! Also würde ich mich anmelden? Nein, du musst dich nicht anmelden!
Das KuBiZ ist eine offene Festung. Und will es auch bleiben. Hier werden Nachbarschaftsprojekte realisiert, und bereits bestehende Initiativen sind mit eingezogen. Wie etwa die LandesschülerInnen-Vertretung, die hier ein SchülerInnenzeitungs-Archiv eingerichtet hat und das Haus der Jugend Bunte Kuh. Im Gegensatz zu anderen Jugendprojekten des Bezirks positioniert sich die Bunte Kuh öffentlich eindeutig gegen rechts.
Auch wenn es für das KuBiZ und seine Projekte kein gemeinsames politisches Programm gibt, so macht doch die antifaschistische Arbeit im Haus zurzeit einen großen Teil der Aktivitäten aus. Wie viele andere Einrichtungen Berlins war auch das KuBiz in diesem Jahr Ziel von Angriffen rechter Gruppen – zuletzt wurde das Gebäude im Mai 2010 mit Parolen besprüht, die den neonazistischen Freien Nationalisten Berlin Mitte zuzuordnen sind. Im Juni konnte ein weiterer Anschlag verhindert werden, aber noch immer wohnen bekennende Rechte in der Nähe und bedrohen Bewohner und Sympathisanten des Projektes – auch wenn sich die Freien Nationalisten Berlin Mitte im vergangenen September offiziell aufgelöst haben.
Das KuBiZ beschreibt sich selbst als ein soziokulturelles Infrastrukturprojekt. Der Verein trägerwerk e. V. hat mit dem Bezirk einen Erbpachtvertrag abgeschlossen, der die Nutzung für zunächst 40 Jahre festschreibt. Er koordiniert die Sanierung und Bewirtschaftung des Gebäudes. Auf den etwa 4.000 qm[2]Grundfläche entstehen Räume für Ideen und Experimente, Kultur- und Bildungsarbeit, Selbsthilfe und gemeinschaftliches Wohnen. Bei Entscheidungen, die das gesamte Haus betreffen, hat jedes Projekt unabhängig von seiner Größe eine Stimme – Konsens angestrebt. Möchte man sich einzelnen Projekten anschließen, wendet man sich am besten direkt an sie.
Zum Netzwerk gehören kulturelle Projekte, die den multifunktionalen Kulturraum für Theater, Konzerte und Filmvorführungen nutzen. Hier arbeitet zum Beispiel das Volkstheater Weißensee, das sich ebenfalls in der Tradition der ehemaligen Oberschule sieht, in der Theater eine wichtige Rolle spielte. Sie veranstalten das Sommer-Theater im Strandbad Weißensee und es gibt eine Zusammenarbeit mit dem Theater 89, einem Autoren-Theater, das bereits zahlreiche Preise erwarb.
In der Medienwerkstatt wird Infrastruktur und Wissen im Bereich audiovisueller Medien angeboten. Eine Basis für eine vielfältige Medienarbeit in Selbstorganisation. Es gibt Bildungsprogramme für Jugendliche und Erwachsene. Das Regionalteam von Skolelinux entwickelt freie Open-Source-Software, Dokumentationen und Lehrmaterial für den europäischen Bildungsbereich und arbeitet dabei mit Schulen zusammen. In der Druckerei des Hauses wird im Risografie-Verfahren auf Soja-Öl-Basis gedruckt – einer besonders umweltfreundlichen Technik. Hier können kleine Publikationen und Flyer vervielfältigt werden.
In diesem Herbst wurde nun der ehemalige Schulhof entsiegelt. Damit entsteht neben dem Wohnprojekt mit drei Wohngemeinschaften und dem Frauenwagenplatz ein weitereres zentrales Projekt auf rund 6.000 m[2]Freifläche: ein offener Nachbarschaftsgarten. Studenten der Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität unterstützen das soziale Projekt mit ihrem Wissen, die benachbarte Kindertagesstätte gärtnert mit, Auszubildende des ebenfalls im Haus untergebrachten Vereins Baufachfrau e. V. – einer von Frauen organisierten Selbsthilfe-Holzwerkstatt – kümmern sich um die Holzarbeiten.
Um die weiteren notwendigen Ausbauarbeiten und die monatlich anfallenden Kosten decken zu können, ist das Projekt auf Unterstützung angewiesen. Möglich ist auch eine tatkräftige Hilfe als Subbotnik bei den Baumaßnahmen.
ANTONIA HERRSCHER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen