„Vor den Kopf gestoßen“

LESUNG Osman Engin liest und spricht bei der Türkeiwoche über die Flucht türkischer Akademiker

■ 50, lebt in Bremen und ist Diplom-Sozialpädagoge, Autor und Satiriker.

taz: Immer mehr Türken zieht es nach dem Studium zurück in die Heimat. Was ist der Grund, Herr Engin?

Osman Engin: Qualifizierte Arbeiter haben hier einfach weniger Chancen. Sie schreiben tausende Bewerbungen und werden ausgesiebt, weil sie einen ausländischen Nachnamen haben. In der Türkei haben sie bei deutschen Firmen hingegen deutlich bessere Aufstiegsmöglichkeiten, da sie beide Kulturen kennen und es keine fremdenfeindlichen Auswahlverfahren gibt.

Aber Sie werden uns weiterhin erhalten bleiben?

Auch ich habe natürlich eine Schmerzgrenze. Sollte eine rechtsradikale Partei in den Bundestag einziehen, bin ich weg. In die Türkei oder nach Gran Canaria. Hauptsache es ist warm und es gibt keine Idioten.

Apropos Idioten – ein Satz zu Thilo Sarrazin.

Der stößt die Menschen vor den Kopf. Wir brauchen die Akademiker hier und Menschen, die seit vierzig Jahren in Deutschland leben, fühlen sich mit einem Male nicht mehr erwünscht.

Bundespräsident Wulff spricht von einer dynamischen Türkei. Hat das Land weiter den Anspruch, in ein so instabiles Gebilde wie die EU integriert zu werden?

Die Bereitschaft und Lust nimmt ab, das ist ganz deutlich zu spüren. Viele Türken sagen, wenn die Europäer uns nicht wollen, dann wollen wir sie auch nicht. Laut einer Umfrage sind inzwischen 60 Prozent der Türken gegen einen EU-Beitritt.

Bei Ihrer Lesung greifen Sie diese Themen wieder auf.

Ja, alles ein wenig satirisch angehaucht – obwohl die heutige Politik ja mittlerweile Realsatire ist.INTERVIEW: JAHU

10 und 14 Uhr, World Trade Center, Birkenstraße 15, mehr Programm im Netz: www.tuerkeiwoche.de