Musikalisch perfekte Show

MUSIK IM DUETT Nach Nancy und Lee (Sinatra/Hazlewood) und Serge und Jane (Gainsbourg/Birkin) nun also im C-Club Isobel Campbell und Mark Lanegan

Das hatten wir doch schon mal: Eine üppige Blondine mit künstlichen Wimpern säuselt und haucht in ein Mikrofon, und ein bärbeißiger älterer Typ grummelt dazu. Sid und Nancy? Nein, Nancy und Lee. Lee Hazlewood nämlich hat damals in den Sechzigern nicht nur das ungleiche, also anzügliche Duett erfunden, nein, eigentlich sogar ein gesamtes Genre. Nämlich den Westernpop, den Ur-Sound of Cool, die zu schmissigen Popsongs gemachten Facetten aus Country, Western und Blues. Wüste fürs Radio. Und dann hat er sich die Tochter des Obercrooners überhaupt, eben jene Nancy Sinatra genommen, sie in hohen Stiefeln ans Mikrofon gestellt und mit den Reglern alles ausgeglichen, was auszugleichen war. Und so entstanden ewige Hits wie „Sand“ oder „One Velvet Morning“.

Diesmal, im Jahr 2010, ist es eine Kleinigkeit anders. Die Blondine, Isobel Campbell, hat hier gewissermaßen die Hazlewood-Rolle, und der bärbeißige Grummler ist nicht viel mehr als eine Puppe, eine Actionfigur ohne Action, aber mit berühmtem Namen, denn es ist immerhin Mark Lanegan. Einer der letzten Grunge-Rocker, Sie erinnern sich. Die Screaming Trees. Queens of the Stone Age. Hängt mittlerweile viel mit Greg Dulli rum und nennt sich dabei Gutter Twins. Und jetzt steht er hier in Stiefeln am Mikro und darf fremde Worte grummeln. Bei Isobel Campbell & Mark Lanegan, drei Platten, erste Tour seit langem, es ist Montagabend in Berlin, der so genannte C-Club ist ordentlich gefüllt mit Menschen, die Beziehungspleiten bereits aus eigener Erfahrung kennen oder „Reservoir Dogs“ schon damals im Kino gesehen haben. Die Musik ist jedenfalls richtig für sie.

Das Hauchmonster

Die Songs also hat Isobel geschrieben, diese seltsame blonde Schottin, die schon bei Belle & Sebastian als Hauchmonster und Problemmädchen aufgefallen war, bis sie als Gentle Waves und dann solo unterwegs war und sich eines Tages beim Hören von Lee & Nancy oder auch Serge & Jane gedacht haben muss: Kann ich auch. Will ich auch. Und dann beim Suchen nach dem größtmöglichsten Gegensatz auf Mark Lanegan gestoßen ist.

Natürlich möchte man wissen, ob da auch privat was läuft, bei all dem heißen Zauber, der hier gegrummelt und gewispert wird, aber auf der Bühne sieht alles stocksteif aus: Lanegan, der nicht viel jünger wirkt als Keith Richards, hielt sich das komplette Konzert über am Mikrofonständer fest und überließ sich ansonsten seinen kleinen Ticks und Gesichtsmuskelzuckungen, die an eine Art Joe Cocker in gehemmt denken lassen. Aber auch für Campbell ist Lockerheit ein Fremdwort, auch sie wirkte so, als ob sie sich am liebsten in einer Ecke verkriechen und weiter an ihren Fingernägeln kauen würde. Das Interessante aber war: Es funktionierte. Es gab nicht viel Bewegung, also begann man auf die Feinheiten zu achten. Ein Lächeln, ein Schlenker, eine kurze Konversation mit der Band – ach ja, die gab es natürlich auch noch. Vier Vollblutmusiker, die ihren Job machten. Auch sie waren wie die Musik: perfekt, irgendwie cool, klassisch, schon mal irgendwo gehört.

Richtig, dieser Sound stirbt nie aus. Und man kann hier von Gun Club bis Mazzy Star einiges zitieren. Muss man aber nicht. Es reicht zu sagen, dass die musikalische Darbietung perfekt war – eine Band, die spielen kann, und zwei Menschen, die miteinander singen können, bis hin zur Zugabe und einem Hank-Williams-Cover. Aber ihre Vereinigung fand nur in der Musik statt – aber unten im Zuschauergraben konnte man sich alles Mögliche dazu vorstellen. Manchmal reicht das. RENÉ HAMANN