Flachlandwestern

In dem Krimi „Mörderische Erpressung“ (Arte, 20.40 Uhr) legt sich der Dorfpolizist mit dem Dorfpatriarchen an

Jedes Dorf hat seine eigenen Regeln. In Möhnstedt sind zwei besonders wichtig. Erstens: Stelle niemals dem Unternehmerpatriarchen, der mit seiner Backwarenfabrik die Hälfte der Bewohner ernährt, einen Strafzettel wegen Falschparkens aus. Und zweitens: Winke auf gar keinen Fall den Wirt der Dorfschenke heraus, wenn der viel zu schnell durch die 30er-Zone brettert, weil er pünktlich seinen Laden aufschließen will.

Die Polizeischulabsolventin Eva Mann (Mira Bartuschek) ist neu in Möhnstedt, sie kennt diese Regeln noch nicht. Zum Glück hat sie Wachtmeister Klaus Burg (Hinnerk Schönemann) an ihrer Seite, der ihre Verstöße gegen die informellen örtlichen Regularien mit entschuldigendem Lächeln wieder gerade rückt. Burg ist kein Mann der Konfrontation. Tagsüber hält er sein kleines Revier picobello sauber, nachts besucht er wie die meisten anderen männlichen Dorfbewohner die Strip-Bar an der Ausfallstraße. Man könnte meinen, der Polizist besitze kein Rückgrat.

Doch die Einschätzung muss revidiert werden, als eines Tages die Leiche einer jungen Dorfbewohnerin gefunden wird. Bei der Obduktion der 19-jährigen Stripperin stellt sich heraus, dass sie vor ihrem Tod mit drei Männern Geschlechtsverkehr hatte. Zwei davon, so beweisen DNA-Tests, sind Söhne des mächtigen Brötchenpatriarchen Jansen (Peter Fitz). Der weist nun Dorfpolizist Burg an, die Sache diskret zu behandeln. Doch der freundliche Phlegma-Bulle bockt und bringt mit seinen Ermittlungen ganz Möhnstedt gegen sich auf.

Irgendwo am nördlichen Rande der Republik ist dieses Mordszenario angesiedelt. Der Lokalbonze Jansen hat einen Gesetzeshüter von seinen Gnaden eingesetzt, aber so richtig greifen die Gesetze des Landes hier nicht mehr. Im Grunde genommen funktioniert „Mörderische Erpressung“, dieser kleine feine Krimi, der sehr viel origineller ist, als sein Titel nahe legt, wie ein Western von Howard Hawks. Der Brotfabrikant fungiert in der Rolle des Rinderbarons, der die Einheimischen mit Freibier und finanziellem Zuspruch auf Linie hält, und die beiden Polizisten gehen wie zwei Hilfssheriffs gegen den mächtigen Mann und seine Gefolgschaft an.

Natürlich schwingt in diesem Film eine gehörige Portion Ironie mit. Dass der Flachland-Western (Buch: Holger Karsten Schmidt) allerdings zu keinem Zeitpunkt in eine Farce umschlägt, liegt zum einen an der Regie von Markus Imboden („Auf ewig und einen Tag“), der mit leichter Hand das soziale Gefüge des Dorfes aufschlüsselt und ökonomische Abhängigkeiten ebenso wie psychologische Verbindlichkeiten herausarbeitet. Und zum anderen an dem Nachwuchsschauspieler Hinnerk Schönemann, den man aufgrund seines sanften Grienens ebenso leicht unterschätzen kann wie den Dorfpolizisten, in dessen Haut er hier schlüpft. Denn das Krimistück beweist, dass hinter Schönemanns dauerverschmitzter Bubivisage ein großer Tragikomödiant steckt. Eben noch feudelt er als Dorfpolizist fröhlich seine Amtsstube, um kurz darauf seine Widersacher mit Sätzen zu konfrontieren wie: „Das Gesetz bin ich.“ Das Tolle ist: Man nimmt Schönemann beides ab. Das Feudeln wie das Runterputzen.CHRISTIAN BUSS