Sozialer Wohnungs…, was bitte?!

FRAGE UND ANTWORT Anschlussförderung, Kostenmiete, Mietpreisbindung – ziemlich kompliziert. Eine kleine Einführung in ein Thema, bei dem die meisten Politiker mit den Augen rollen

Wie viele Sozialwohnungen hat Berlin?

Ende 2013 waren es 140.000. Nach einer Prognose der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung werden 2023 noch 101.000 übrig bleiben.

Wie viele Wohnungen haben die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften?

Zur Zeit etwa 286.000, davon knapp 50.000 Sozialwohnungen. Bis zum Ende der Legislaturperiode soll ihre Zahl auf 300.000 steigen – entweder durch Neubau oder durch Zukauf.

Sind Sozialwohnungen das gleiche wie landeseigene Wohnungen?

Der Bau einer Sozialwohnung wurde mit öffentlichen Mitteln gefördert. Im Gegenzug gewährt der Bauherr der öffentlichen Hand eine gekappte Miete sowie Belegungsrechte. Eine Sozialwohnung ist also nicht dasselbe wie eine landeseigene Wohnung. Die meisten Sozialwohnungen wurden von privaten Bauherrn errichtet.

Wer hat Anspruch auf eine Sozialwohnung?

Alle Haushalte, die es aufgrund ihres Einkommens schwer haben, sich auf dem Wohnungsmarkt zu versorgen. In der Regel berechtigt ein Wohnberechtigungsschein (WBS) zum Bezug einer Sozialwohnung. Etwa 60 Prozent der Berliner Haushalte haben nach Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Anspruch auf einen WBS.

Wie hoch ist die Miete einer Sozialwohnung?

Im Schnitt lagen die Mieten der 140.000 Sozialwohnungen Ende 2011 bei 5,47 Euro pro Quadratmeter, zuzüglich Heiz- und Betriebskosten. Das waren 26 Cent mehr als die Durchschnittsmiete im frei finanzierten Wohnungsbau. Hinzu kommt, dass die Nebenkosten (sogenannte zweite Miete) vergleichsweise hoch sind.

Wie konnte das kommen?

Jetzt wird es kompliziert, denn die Förderpolitik der 1970er und und 80er Jahre ist heute nicht mehr nachzuvollziehen. Verkürzt gesagt funktionierte es so: Die Investitionsbank Berlin förderte den Bau von Sozialwohnungen durch private Investoren, indem sie zwei verschiedene Mieten festlegte – die Sozialmiete und die Kostenmiete. Die Sozialmiete war die, die die Mieter zu zahlen hatten, die Kostenmiete bildete die tatsächlichen Investitionskosten ab. Weil die öffentliche Hand die Differenz zwischen Sozialmiete und Kostenmiete subventionierte, war es für die Investoren lukrativ, möglichst teuer zu bauen.

Gibt es denn die Sozialmiete heute nicht mehr?

Doch. Allerdings nicht für jene 28.000 Wohnungen, die vom Wegfall der sogenannten Anschlussförderung betroffen sind. 2003 beschloss der rot-rote Senat den Ausstieg aus dem Milliardengrab sozialer Wohnungsbau. Seitdem haben die Eigentümer die Möglichkeit, die Miete bis zur Kostenmiete zu erhöhen, die oft ein Vielfaches der Sozialmiete beträgt. Ein Mieter der Fanny-Hensel-Siedlung in Kreuzberg sollte sogar 9.000 Euro Miete nachzahlen.

Wie reagierte der Senat darauf?

Mit dem Prinzip Hoffnung. Weil enorme Mietsteigerungen auf dem Markt nicht realistisch seien, werde die Miete nur auf die ortsübliche Vergleichsmiete steigen, so der Senat 2003. Das mag für die Randbezirke stimmen, nicht aber für die Innenstadt.

Könnte der Senat mehr tun?

Ja. Seit der Föderalismusreform 2006 können die Länder in sogenannten Wohnraumgesetzen selbst regeln, wie sie mit dem sozialen Wohnungsbau umgehen. Sie könnten zum Beispiel die Wohnungen, in denen die Bindungen auslaufen, rekommunalisieren, wie es die Mieterinitiative Kotti & Co fordert.

Immerhin hat der Senat einen Preisstopp im sozialen Wohnungsbau erlassen.

Aber nur für insgesamt 35.000 Wohnungen, die in den Großsiedlungen liegen und in der Regel von den landeseigenen Gesellschaften vermietet werden. Das ist keine große Lösung, sondern nur eine kleine.

Eine große Lösung wäre aber auch teuer.

Das stimmt. Allerdings würde man bei einer Rekommunalisierung auch etwas bekommen: einen dauerhaften sozialen Wohnungsbestand. Geht es weiter wie bisher, laufen bei immer mehr Wohnungen die Bindungen aus. Das Ergebnis: Berlin hat Milliarden bezahlt ohne nach dem Ablauf der Bindungen etwas in der Hand zu haben.

Gäbe es auch noch andere Lösungen?

Derzeit wird geprüft, ob in manchen Fällen die Kostenmiete nicht überhöht war. Ein von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Auftrag gegebenes Gutachten liegt vor, ist aber noch nicht veröffentlicht. Eine Rückforderung an die Eigentümer käme einer Kampfansage gleich. Mal sehen, ob der Senat den Mumm dazu hat.

Gibt es eine Alternative?

Der Mieterverein bevorzugt eine sogenannte Richtsatzmiete als Kernbestand eines Berliner Wohnraumgesetzes. Das wäre eine festgelegte Miete für Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus.

Und der neue soziale Wohnungsbau?

Placebo. 1.000 neue Wohnungen pro Jahr konnte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) dem Finanzsenator aus den Rippen schneiden. Das entspricht etwa der Zahl der Wohnungen, die jährlich aus der Bindung fallen. UWE RADA