Frieden schaffen mit mehr Waffen?

DIE UKRAINEKRISE UND IHRE LÖSUNG Ein Pro und Contra von Klaus-Helge Donath und Stefan Reinecke zur Frage, ob Europa und die USA militärische Stärke gegen Putin zeigen müssen, löste in der Redaktion und unter den LeserInnen eine Debatte aus

■ betr.: „Was tun?“, taz vom 29. 4. 14

Recht hat er, der Klaus-Helge Donath. THOMAS KRÄMER-BADONI, Bremen

betr.: „Der Krieg in unseren Köpfen“ u. a, taz vom 30. 4. 14

Es ist wirklich außerordentlich schwierig eine Patentlösung für die Ukrainekrise zu finden. Da Putin ein eiskalter Machtpolitiker ist, wird er versuchen, noch lange die Ukraine zu destabilisieren.

Der Westen (USA und EU ) sollte eine klare Position gegen die Machenschaften Russlands in der Ukraine beziehen. Es wird Zeit, Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen und Putin zu isolieren. Speziell die EU sollte ein Energiekonzept erarbeiten, um die eigene Energiewende voranzutreiben, unabhängig zu werden und möglichst schnell auf das Gas aus Russland zu verzichten. Mit Diktatoren, die Menschenrechte mit Füßen treten, das Völkerrecht missachten (und zudem gegen Homosexuelle vorgehen), sollten keine Geschäfte mehr gemacht werden. Dazu braucht man keine Gelder für die Verteidigung zu erhöhen. MARTIN BRÖMER, Iserlohn

■ betr.: „Der Krieg in unseren Köpfen“, taz vom 30. 4. 14

So nicht, Frau Pohl! Mit dem Hochhalten einer Streitkultur sollten sie nicht Ihre Führungsschwäche kaschieren. Welche Tabus werden dann als Nächstes gebrochen? Plädoyers für die Wiedereinführung der Todesstrafe oder für Päderastie? Holocaustleugnung? Das ist nicht die taz, die ich mal abonniert habe!

THOMAS HEILOS, Bielefeld

■ betr.: „Der Krieg in unseren Köpfen“, taz.de vom 29. 4. 14

Bernd Pickert fordert uns auf, Russland zu verstehen, schließlich könne einen Krieg, aber auch den Frieden nur gewinnen, wer seinen Feind versteht. Russland ist nicht mein Feind! Was ist das für ein absurder Gedanke. Außerdem hat das Wort „verstehen“ zwei Bedeutungen. Einmal kann es so viel heißen wie „(Motive) begreifen“, sodann kann es „etwas gutheißen“ bedeuten. Die meisten angeblichen „Putin-Versteher“ begreifen Russlands Motive, heißen sie aber keineswegs pauschal gut.

Auch etwas, das die taz im Kielwasser der „großen“ Medien nicht verstanden, sprich begriffen hat. MAIDANSKI, taz.de

■ betr.: „Der Krieg in unseren Köpfen“, taz vom 30. 4. 14

Nach Ines Pohls Kommentar bemüht man sich zumindest um numerische Ausgewogenheit. Dennoch: Aufrufe zum Wettrüsten sind nicht abdruckbar. Janukowitsch war rechtmäßiger Präsident der Ukraine, wenn auch ein blöder – wenn das der Maßstab wäre, müssten viele weg. Hätte er das EU-Assoziierungsabkommen unterzeichnet, wäre er unser, des Westens, Schurke gewesen. Gerade die, die die westliche Interessenpolitik übersehen, sind die Naiven. Wobei Putin zu idealisieren auch Schwachsinn ist. Moskau und der Westen haben die Ukraine gemeinsam in diese Lage gebracht, indem beide Seiten in diametral entgegengesetzten Richtungen an dem Land zerren. Ohne dass es zwischen Moskau und dem Westen eine Übereinkunft gibt, wird es innerukrainisch keinen Frieden geben, da die Regierung am Tropf des Westens hängt wie die Bewaffneten im Osten an dem Putins. Der Staat sollte außenpolitisch neutral und innenpolitisch stark föderalistisch werden. Das wäre vom Westen gemeinsam mit Moskau vorzubereiten und auf einer Konferenz aller relevanten innerukrainischen Kräfte zu beschließen. Also: Nachdenken und debattieren soll und muss die taz. Aber: Könnt Ihr die ganz wilden (kalten) Krieger bitte etwas an die Kette legen? MARKUS STROBL, Berlin

■ betr.: „Der Krieg in unseren Köpfen“, taz vom 30. 4. 14

Demokratisierung und Liberalisierung durch Handel? Was ist in Russland für Putin so falsch gelaufen? Seine Sympathiekurve war dermaßen gesunken, dass er massiv jede Opposition einschränken musste, obwohl die wirtschaftliche Verbesserung durch Auslandsinvestitionen unverkennbar war. Aber er nahm nicht wahr, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich immer weiter spreizte.

Die Masse der Reichen hielt still, Kritiker kamen und kommen ins Arbeitslager. Der Spagat kann auf Dauer nicht gut gehen, und deshalb greift Putin auf seine Lehrjahre im KGB zurück, das Freund-Feind-Denken, teilen und herrschen. Wie lange er sich damit halten kann, wird sich zeigen, denn das Vermögen der Oligarchen, Neureichen und Korruptionsgewinnler schmilzt derzeit erheblich. Demokratisierung und Liberalisierung durch Handel am Volk vorbei ohne ethische Rahmenbedingungen schaffen Probleme.

In der Ukraine tummelten sich ebenfalls Oligarchen, Neureiche und Korruptionsgewinnler, bis das Volk aufbegehrte. Nun aber sah und sieht Putin seine Chance, verlorene Landesteile (inklusive der Rüstungsindustrie) zurückzugewinnen, wie die BRD 1989/90 im Schatten der zerfallenden Sowjetunion. Die westlichen Diplomaten und Strategen haben trotz (oder wegen) NSA auf ganzer Ebene versagt und somit die Ukrainekrise mit zu verantworten.

Wo ist nun der Klügere, der nachgibt, um ethische Rahmenbedingungen zu entwickeln?

BERTHOLD NOESKE, Freiburg

■ betr.: „Der Krieg in unseren Köpfen“ u. a, taz vom 30. 4. 14

Leider hat die Ukraine die Arschkarte gezogen: Die von Russland und den USA abgegebene Sicherheitsgarantie ist politischer Schwachsinn und das Papier nicht wert, auf dem sie niedergeschrieben wurde. Die USA werden hoffentlich wegen der Ukraine keinen Krieg mit Russland beginnen. Anders sieht es mit den Nato-Staaten aus. Selbstverständlich muss, wenn die (Ost-)Ukraine von Russland annektiert wird, die Nato ihre Truppen in den betroffenen Mitgliedsländern verstärken, bevor irgendwelche „Bürgerwehren“ ohne Kennzeichen auch dort aktiv werden. Abzuwarten, bis es so weit kommt, und dann erst Truppen zu schicken wäre verantwortungslos und würde eine Eskalation sehr wahrscheinlich machen. Letztlich ist das alles Verarschung: Referenden mit 97 Prozent Zustimmung; Nato-Militärs, die nicht definitiv sagen können (wollen), wie stark die russischen Truppen im Grenzgebiet zur Ukraine sind; Altkanzler, die Putin herzen; Putin-Versteher, die nicht begreifen wollen, dass Putin die Salami schön dünn schneidet; eine EU, die gerne Sanktionen verhängen würde, aber Angst um ihre guten Geschäfte hat. ROLAND BENZ, Frankfurt

■ betr.: „Der Krieg in unseren Köpfen“, taz vom 30. 4. 14

Es gibt Zeiten, da nervt es ungemein, ein gutes und ruhiges Gewissen haben zu wollen! Ob es mir passt oder nicht, militärische Logik ist leider immer noch überall dort angesagt, wo friedliche Vernunft nicht mehr existiert, wo das Recht des Stärkeren gilt, wo friedliche Proteste in Gewaltorgien erstickt werden, wo Minderheiten vertrieben und getötet werden und wo Sanktionen nicht effektiv eingesetzt werden. Den Völkermord in Ruanda haben bewaffnete Rebellen beendet, nicht verbale Proteste oder Diplomatie. Der Völkermord in der Zentralafrikanischen Republik konnte mit Militäreinsätzen gestoppt werden, auch wenn die Vertreibung aller Muslime aus der Hauptstadt die Folge war. Die Menschen sind leider nicht überall so auf Frieden gepolt wie wir in Deutschland, und so habe ich hier tatsächlich die Wahl, mich zurückzulehnen und auf die böse Nato zu schimpfen, weil sie Russland und seinen neuen Zaren bedrängt, oder aber zur Kenntnis zu nehmen, dass Menschen im östlichen Europa, die Jahrzehnte unter Russland/der Sowjetunion gelitten haben, sich vor dieser Großmacht fürchten, die auch aggressiv und mit Militär reagiert, wenn sie es für nötig hält. Die Ukraine ist in dieser Logik nur der aktuellste Baustein nach Tschetschenien, dem Kaukasus, Georgien, Abchasien, Moldawien. Nato wie EU wären gut beraten, mit Stärke auf Putin zu reagieren, zumal militärische Logik von dort aus eh schon genutzt wird. Ein „Bis hierher und nicht weiter“ hat schon öfter Kriege und Gewaltkonflikte verhindert, wenn es deutlich gesagt und entsprechend unterstützt wurde. JÖRG WILHELM, Wiesbaden

■ betr.: „Der Krieg in unseren Köpfen, taz vom 30. 4. 14

In den 80er Jahren war ich Aktivistin der Friedensbewegung. Nach dem Ende des Kalten Kriegs nahmen die wirtschaftlichen Verknüpfungen zu, und wir Friedensbewegte sahen in der Zunahme der gegenseitigen Abhängigkeiten eine wachsende Stabilisierung des Weltfriedens zwischen den Machtblöcken. In dieser Entwicklung erschien mir die Globalisierung als hinzunehmendes Übel. Die kriegsverhindernde Wirkung der wirtschaftlichen Abhängigkeit ist heute in noch nie erreichtem Maße gegeben, wird aber viel zu wenig realisiert. Aufgabe der Medien, an erster Stelle der taz, ist, das Ausmaß der Abhängigkeiten darzulegen, um Befürwortern von Härte die Augen zu öffnen, wohin diese uns führen würde. Hier ein Beispiel: Meldung des Deutschlandfunks vom 4. 4. 14: „Der russische Staatskonzern Gazprom hat nach eigenen Angaben seinen Erdgasabsatz in Deutschland und Westeuropa gesteigert. In den ersten drei Monaten dieses Jahres habe Deutschland seine Gasimporte aus Russland im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent erhöht, erklärte das Unternehmen in Moskau. Die Lieferungen nach Großbritannien hätten sogar um 30 Prozent zugenommen.“

Unsere Politiker merken anscheinend nicht, wie lächerlich sie sich machen, wenn sie Russland mit Sanktionen drohen. Gleichzeitig drosseln sie die erneuerbaren Energien im eigenen Land, womit sie immer abhängiger vom russischen Erdgas werden.

ANITA SCHWAIER, Angermünde