Leservorwurf

Will die taz Militante bestärken?

„Um einen Naziaufmarsch zu verhindern braucht es dreierlei […] ein bisschen Militanz zur rechten Zeit […].“ Will die taz wirklich jugendliche Militante in der Vorstellung bestärken, die Polizei fürchte sich vor ein paar Böllern? Die sind keine Hilfe für die Mehrheit der friedlichen Demonstranten, sondern willkommene Gelegenheit für konservative Scharfmacher, gleich den ganzen Demonstrationszug zu diskreditieren. Harte Polizeieinsätze werden durch sie nicht verhindert, sondern erst richtig auf den Weg gebracht. Stuttgart 21 hat dagegen gezeigt, dass ein harter Polizeieinsatz gegen wirklich friedliche Demonstranten in unserer Demokratie zum PR-Desaster wird. ECKEHARD HESS, Saulheim

Die taz antwortet
Symbolische Militanz ist keine Glaubenssache

Ich weiß nicht, was die taz will. Aber ich erzähle Ihnen gerne, was ich beim NPD-Aufmarsch am vergangenen Samstag in Berlin beobachtet habe.

Ich war den ganzen Samstag über in Kreuzberg und Mitte auf der Straße und habe den größten Teil des Tages direkt beim NPD-Aufmarsch verbracht. Die Polizei hat die Neonazis zunächst laufen lassen und sie erst dann aufgehalten, als es vor dem Märkischen Museum zu – vergleichsweise kleinen – Scharmützeln zwischen einigen Gegendemonstranten und der Polizei kam. Es war nicht das erste Mal, dass die Polizei zusätzlich zu den massenhaften friedlichen Blockaden dieser Nachhilfe bedurfte, um die Nazis nach Hause zu schicken. In diesem Sinne waren die Böller nützlich.

Die Frage der symbolischen Militanz – und um nichts anderes geht es – ist keine Glaubenssache. Was bei einem Anlass dienlich sein kann, kann an anderer Stelle kontraproduktiv sein. Und natürlich kann man kritisieren, dass die Böller überhaupt nötig waren. Keine Böller und keine Nazis finde ich auch besser als Böller und Nazis.

DENIZ YÜCEL, Autor