„Na dann, halleluja!“

ABSTIEG HSV-Ultra Philipp Markhardt erklärt, warum die Hamburger Fans ihren Glauben an die eigene Mannschaft verloren haben

■ 34, geht seit 1991 zum HSV und ist Mitglied der Ultra-Gruppierung Chosen Few. Außerdem ist er Sprecher von Pro Fans, dem Bündnis aktiver Fan- und Ultragruppen in Deutschland.

INTERVIEW JOHANNES KOPP

taz: Seit etlichen Jahren gibt es in schöner Regelmäßigkeit die Meldung, dass die Vereinsikone Uwe Seeler sich Sorgen um den HSV macht. Seit wann machen Sie sich denn Sorgen um den Verein?

Philipp Markhardt: Das kommt in Wellenbewegungen. Angefangen hat das im Jahr 1991, als ich das erste Mal ins Volksparkstadion gegangen bin. Da hatte der HSV mit Hängen und Würgen den Klassenerhalt geschafft und sich im letzten Spiel gegen Waldhof Mannheim gerettet. Danach musste man sich auch immer wieder Sorgen machen, ob der Verein oben bleibt.

Bei Werder gab es vor einem Jahr eine beeindruckende Solidarisierungswelle unter den Fans. Dagegen wirken die HSV-Anhänger derzeit recht passiv.

Da muss man nicht nach Bremen schauen. Beim HSV haben wir im letzten Jahr auch im Abstiegskampf gesteckt. Es gab etliche Fan-Aktionen. „Immer erste Liga“, „Wir für euch, ihr für uns“, „Jetzt erst recht“. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie sie alle hießen. Da war der Zusammenhalt wesentlich größer.

Warum hat das nicht gehalten?

Zum einen zermürbt so ein ständiger Abstiegskampf – sowohl Mannschaft als auch Umfeld, zum anderen ist es jetzt aber auch so, dass man bei den Auftritten der Mannschaft in den letzten Wochen viel zu oft denken musste: Die hängen sich gar nicht richtig rein.

Hängt die Passivität der Fans auch mit den Machtkämpfen um die zukünftige Struktur im Verein zusammen? Die Zentrifugalkräfte scheinen im Klub derzeit stark ausgeprägt.

Das kann ich ausschließen. Wobei es mir nicht gefällt, dass einige Leute auf dem Rücken der derzeitigen Situation ihre machtpolitischen Spielchen treiben. Dabei haben die Herrschaften, die die Profiabteilung ausgliedern wollen, im Januar noch gesagt: „Jetzt konzentrieren wir uns auf den Abstiegskampf.“

Gibt es unter den Fans auch Absetzungstendenzen?

Natürlich gibt es auch hier die Diskussion: Ausgliederung ja oder nein? Aber wenn die Fans gefragt sind, stehen alle zusammen. Ein aktuelles Beispiel von dieser Woche: Ein Hamburger Lokalsender fordert alle HSV-Fans auf, ihre Schals abzugeben, wenn sie nicht mehr an den Verein glauben. Dafür versprach man, 20 Euro an den Hamburger Tierschutzbund zu spenden – pro Schal. Das hat einen Shitstorm auf der Facebookseite dieses Senders ausgelöst. Die Aktion ging voll in die Hose.

Was würde ein Abstieg für den Verein bedeuten?

Dass er den Habitus des Bundesliga-Urgesteins verliert. Dass ist halt ein Ruf, auf den viele hier etwas geben.

Was müsste beim HSV passieren, damit es wieder aufwärts geht?

Man müsste einen Trainer mal seine Handschrift anbringen lassen und ihn nicht nach der ersten Krise feuern. Und es wäre gut, wenn weniger Leute reinreden würden. Man müsste den Aufsichtsrat verkleinern.

Auffällig ist beim HSV die Sehnsucht nach alten Größen: Thomas von Heesen, Felix Magath.

Von Heesen und Magath haben 1983 den Europapokal der Meister gewonnen. Aber das haben die als Spieler gemacht. Klar, Magath ist als Trainer erfolgreich gewesen, aber wie viel Geld hat der in die Hand bekommen? Und von Heesen war als Spieler Publikumsliebling. Aber wo hat er danach als Trainer gearbeitet? In Bielefeld, Fürth, Katzenberg und Limasol. Und jetzt wird er als sportliche Kompetenz gehandelt und soll nach der Ausgliederung der Profiabteilung beim HSV als Experte arbeiten. Na dann, halleluja!

Eigentlich ist der HSV ja nicht auf die Hilfe anderer im Abstiegskampf angewiesen.

Das Problem ist, es glaubt selbst im Verein keiner mehr so richtig daran, dass das noch was wird. Und an einen Sieg gegen den FC Bayern am Samstag glaubt sowieso keiner.