Der Mörder ist immer ein Dings

PERFORMANCE Vom Krimifilm zur Philosophie: Die Schweizer Künstlerinnengruppe „Les Reines Prochaines“ singt, sprachimprovisiert und körperdichtet über Grundlegendes

Der Film dient als Gerüst für opulente Songs, Sprachimprovisationen oder Tänze

VON ROBERT MATTHIES

Wenn es etwas gibt, was die „nächstfolgenden Königinnen“ ganz und gar nicht mögen, dann sind es unsägliche Vorsicht, tatenloses Vertrauen, zögerliche Reflexion und stummer Stillstand. „Es gibt Lieder, die geschmettert werden müssen“, sind die Schweizer „Les Reines Prochaines“ überzeugt. „Kapital und Ressourcen / die Hälfte der Macht / das gehört uns das bekommen wir / haben wir gedacht“, singen die derzeit fünf Frauen auf ihrem letzten Album „Starke Kränze“. Aber: „Das ist vorbei, wir scheuen keinen Schmutz / an Händen / auf den Blusen keinen Fleck / wir wollen regieren und jetzt vom Speck.“

Seit 22 Jahren verwandelt die entschlossene Künstlerinnengruppe mit dem beständig wechselnden Personal ihr politisch, sozial und biografisch verursachtes Unbehagen über den alltäglichen Wahn-, Un- und Eigensinn mit „professionellem Dilletantismus“ in multimediale Performances, Konzertprogramme, Hörspiele, Videoclips, Tonträger und performative Interventionen. Festlegen lassen sie sich dabei auch musikalisch nicht. Allenfalls auf ein gemeinsames Thema einigen sie sich.

So haben sich die ungekrönten Königinnen im letzten Jahr in ihrem Programm „Vol d’Art – Der Kunstraub. Erwischt!“ unter anderem von Hieronymus Boschs bizarren Fabelwesen zu musikalischen Entwürfen moralischer Sittenbilder inspirieren lassen, den Familiengeist „im Zeitgeist der globalen Raffgierde“ tagen lassen oder Schmerz, Hässlichkeit, Sünde, Alter und Fett wie in Bildern der Breughels schön erscheinen lassen.

In ihrem aktuellen Programm „Dings“ bringen sie nun zusammen mit der Filmemacherin Nathalie Percillier ein philosophisches Kriminalstück mit musikalischen, filmischen und performativen Mittel auf die Bühne. Dabei liegt dem Film ein klassischer Kriminalplot zugrunde, der aber dient lediglich als Gerüst für opulente Songs, Rezitate, Sprachimprovisationen, Körper- und Gestengedichte oder Tänze über grundlegende philosophische Fragen: Identität, Liebe und Hass, Geld, Arbeit, Gedächtnis, Wahnsinn, Sünde und Schuld oder das Nichts.

■ Fr, 26. 11. + Sa, 27. 11., 20 Uhr, Polittbüro, Steindamm 45