Schauspiel von Babel

HIPPEN EMPFIEHLT Nach zwei Jahren wird endlich Charlie Kaufmans labyrinthischer Film „Synecdoche, New York“ im Kino 46 gezeigt

Aus solch einer labyrinthischen Reise in die menschliche Innenwelt besteht im Grunde jedes Drehbuch von Charlie Kaufman

VON WILFRIED HIPPEN

In der Kurzgeschichte „Die Bibliothek von Babel“ entwirft Jorge Luis Borges das Projekt einer allumfassenden Bibliothek, in der sich die Welt in unbegrenzt vielen Büchern spiegelt. Aber wie kann ihre Unendlichkeit in jener des realen Universums Platz finden? Der Theaterautor Caden schafft sich in Charlie Kaufmans erster Regiearbeit ein ähnliches Dilemma. Für ihn ist allerdings das eigene Leben das sich unendlich verzweigende Mysterium, und er will es in einem gigantischen Theaterprojekt abbilden. Ein angesehener, vor allem aber hoch dotierter Kulturpreis macht es ihm möglich, dieses Stück in einer riesigen Halle in Angriff zu nehmen. So schreibt er etwa Szenen über seine gescheiterte Ehe und inszeniert sie mit Schauspielern. Aber um wirklich wahrhaftig zu sein, muss er auch sich selber als den Schreiber dieser Szenen beschreiben und auf die Bühne bringen. Und auch er als der Autor des Autoren, der über Leben des Autoren schreibt, muss wiederum in dem Stück vorkommen, usw. usw. Für solch Stück kann es kein Ende geben.

Aus solch einer labyrinthischen Reise in die menschliche Innenwelt besteht im Grunde jedes Drehbuch von Charlie Kaufman. In „Being John Malkovich“ konnten Besucher für ein paar Momente ins Gehirn des Filmstars reisen, in „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“ wurden Erinnerungen gelöscht und kamen dann als Träume und Halluzinationen wieder zurück in die Köpfe und in „Adaption“ wurde aus der Verfilmung eines Sachbuches immer mehr die Geschichte des Drehbuchschreibers und seiner Probleme mit dieser Adaption. Bisher arbeitete Kaufman mit Regisseuren wie Spike Jonze und Michel Gondry, die mit kongenialer Originalität die Bilder für seine surrealen Ideen lieferten. Hier übernimmt er zum ersten Mal auch die Regie und Ergebnis ist ein überkomplexer Film, der so ins Kraut geschossen ist, dass ihm im Kinogeschäft kaum kommerzielle Chancen eingeräumt wurden. Obwohl er in Cannes lief, danach überwiegend positive, teilweise sogar enthusiastische Kritiken bekam und Kaufman ja durchaus einen erheblichen Kultstatus besitzt, wurde „Synecdoche, New York“ in Deutschland nie in die Kinos gebracht, sondern stattdessen direkt als DVD verramscht.

Bei dem Überschwall an Ideen, die Kaufman in diesen Film gestopft hat, funktioniert nicht jede Szene und jedes Bild. Da gibt es magische Einfälle wie ein Mietshaus, das permanent in Flammen steht, aber auch dramaturgische Sackgassen, die ein anderer Regisseur aus dem Buch gestrichen hätte. Aber Kaufmans Film muss ausufern wie das Theaterprojekt, von dem er erzählt.