gottschalk sagt
: Reformen sind voll langweilig

Neulich habe ich mal wieder Jugendliche in der Bahn belauscht. Ein Mädchen erzählte aus dem Geschichtsunterricht: „Wir machen gerade Erster Weltkrieg. Erster Weltkrieg ist voll langweilig, Zweiter ist viel besser.“ Fand ich toll, ich hatte mir noch nie so richtig überlegt, welcher eigentlich mein Lieblingsweltkrieg ist. Dass viele den Zweiten besser finden, ist, glaube ich, auch ein Verdienst von Dr. Guido Knopp (ZDF, „Mit dem Zweiten sieht man besser“).

Dass der wiederum den Zweiten Weltkrieg gut findet, ist nur zu verständlich, schließlich hat er mehr Geld damit verdient als der gute alte Krupp. Und was, fragen Sie, liebe Leser, da zurecht, hat das mit Nordrhein-Westfalen zu tun? Die Antwort heißt: History-Award. Also der History-Award des Geschichtssenders History-Channel ging in diesem Jahr an das Kölner NS-Dokumentationszentrum für die Ausstellung „Navajos und Edelweißpiraten – Unangepasstes Jugendverhalten in Köln 1933-1945“. Zur Jury gehörte neben Dr. Guido Knopp auch Focus-Chefredakteur Helmut Markwort. Dass die Ausstellung den Preis bekommen hat, finde ich ja gut, aber will man einen Preis von Helmut Markwort?

Dass der überhaupt noch frei rumläuft, wundert mich. Immerhin titelte sein Focus neulich: „Erben – Die 25 besten Tipps“. Was für Tipps? Können die nicht wie normale Leute abwarten, bis der Onkel eines natürlichen Todes stirbt? Ich sage ja seit Jahren, der Markwort hätte beim Gong bleiben sollen. Das ist eine seriöse Zeitung.

Aber ich sollte die Klappe halten, ich hatte mich mal um einen Preis beworben, bei dem Helmut Markwort und Florian Illies in der Jury saßen. Und ihn nicht bekommen. Vielleicht hätte ich die Dankesrede doch nicht im Voraus schreiben sollen.

Außerdem soll man eigentlich nicht so oft über Prominente schreiben, denn dahinter steckt meistens nur der Wunsch, irgendwie dazu zu gehören. Ein paar Schuppen Wichtigkeit vom Revers des Prominenten abzubekommen, der einen selber überhaupt nicht wahrnimmt. Der Wunsch sich ein bisschen größer zu fühlen, weil man vom Schreibtisch aus Popstars und Politiker beleidigen kann. Die Säcke.

Doch ab und zu ein bisschen Gewerkschaftsschelte ist wichtig und angebracht: „Das geht besser, DGB“. Was für eine kämpferische Parole. Aber was soll man dann auf der Demonstration skandieren? „Entschuldigung, liebe Regierung, dass wir uns hier an dieser Stelle einmischen, wir finden eigentlich insgesamt die ganze Gesundheitsreform auch soweit in Ordnung, haben uns aber erlaubt, den ein- oder anderen Verbesserungsvorschlag zu erarbeiten!“ Das kann man doch gar nicht rufen.

Aber Gesundheitsreform finde ich sowieso voll langweilig. Arbeitsmarktreform ist besser. Oder Rechtschreibereform. Das war, glaube ich, die letzte Reform, bei der ich keine geldwerten Nachteile erlitten habe.

Fotohinweis: CHRISTIAN GOTTSCHALK lebt in Köln und sagt die Wahrheit – alle zwei Wochen in der taz