IM NETZ UND AUF DER STRASSE
: Lästige Werbung

Vergleiche zu den grauen Herren aus „Momo“ lagen nahe

Seit ich anlässlich des „Internationalen Jogginghosentags“ über Stunden das Internet nach einer grauen Jogginghose durchforstete, liefen die Pop-ups Amok. Es gab kein Entkommen. Graue Jogginghose hier, graue Jogginghose da. Von „Amazon“ übers „Fratzenbuch“ bis hin zu „Zalando“, allerorts lenkte man meine Aufmerksamkeit auf das formschöne Utensil, welches so unnachahmlich die Beinpartie umschmeichelt. Mein Computer hatte sich meinen Hosengeschmack gemerkt.

Nichts Skandalöses in Zeiten von Fernsehshows wie „Tatort Internet“ mit Barbie von und zu Guttenberg, aber in diesem Fall war es doch irgendwie bedenklich, weil es so profan war. Vollkommen nachvollziehbar war, dass ich begann, Vergleiche zu den grauen Herren aus Michael Endes Kinderbuch „Momo“ aufzustellen, was in meinem Umfeld sofort zu einer wüsten Beschimpfungsorgie auf diese ekelhafte Versicherungswerbung führte, in der eine semiprofessionelle Schauspielerin über die grauen Herren und ihr Verhältnis zu verbrecherischen Firmen informiert. Mein Hosenproblem war sofort ad acta gelegt, denn diese neuen Versicherungswerbungen sind der größte Dreck überhaupt. In diesem Punkt stimmten wir alle überein.

Viele wollten, wenn möglich, die Werbung gleich komplett aus ihrem Leben verbannen. Nur die Snickers-Werbung mit Aretha Franklin stößt bei einigen auf Gegenliebe. Ein besonders kritischer Zeitgenosse möchte die Diskussion nun mit folgendem Argument beenden: Gute Werbespots seien noch schlimmer als schlechte, eben weil man sie gut findet. Ich bin da anderer Meinung. Ein guter „Godzilla“-Film animiert mich ja auch nicht dazu, wutschnaubend in der Innenstadt gegen monströse außerirdische Motten zu kämpfen. Und wenn doch, dann trage ich hoffentlich bereits meine neue graue Jogginghose.

JURI STERNBURG