OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Voodoo wird hierzulande eigentlich fast immer mit Horror assoziiert: Haiti, merkwürdige Prozessionen, Puppen mit Nadeln, massakrierte Hühner und Zombies – es ist das Bild aus vielen Jahren Kinogeschichte. Dabei ist Voodoo im Ursprung eine mystische Naturreligion, bei der es keineswegs um das Zerstören, sondern um das Erhalten geht. Sie stammt aus dem westafrikanischen Benin, und nicht nur dort ist Voodoo mittlerweile ganz offiziell als Religion anerkannt. Der Ethnologe, Fotograf und Filmemacher Henning Christoph konnte sich in Benin über Jahre hinweg umsehen, dabei entsprechendes Vertrauen aufbauen und fand mit seiner Kamera Zugang zu den unbekannten Ritualen. Deren unterschiedliche Aspekte beleuchtet sein Film „Voodoo – Die Kraft des Heilens“: Da geht es um das Anrufen von Göttern und Ahnen, die verschiedenen Opferpraktiken, das Heilen mysteriöser Krankheiten oder auch um die Einhaltung sozialer Normen. Christophs Werk besitzt ethnografische Qualität, es ist eine Aufzeichnung von menschlichen Gebräuchen, die anderswo nicht dokumentiert sind. Das sollte man beim Ansehen unbedingt bedenken, denn zu den verschiedenen, meist in größerer Gemeinschaft ausgeführten und ansonsten unkommentierten Ritualen gibt nur knappe Erläuterungen auf einleitenden Schrifttafeln. (27. 11.–1. 12. Bali)

1959 veröffentlichten Jean-Jacques Sempé (Illustrationen) und der „Asterix“-Erfinder René Goscinny (Text) die ersten Geschichten um die Figur des „Petit Nicolas“ in der französischen Wochenzeitschrift Le Moustique. Mit den charmanten Abenteuern des Grundschülers und seiner gleichaltrigen Freunde schufen sie einen Klassiker der französischen Comic-Literatur, in dem sich Kinder mit dem gänzlich arglosen Blick auf die manchmal unverständliche Welt der Erwachsenen identifizieren können, derweil der Reiz für die Elterngeneration in dem unverhohlen nostalgischen Blick auf eine heile und aus der Zeit gefallene Kindheitswelt besteht, die es so tatsächlich nie gegeben hat. Dem französischen Regisseur Laurent Tirard ist es gelungen, genau diesen Appeal in seine Realverfilmung „Der kleine Nick“ zu übertragen: Sein „Nick“ spielt in den 1960er Jahren und zeichnet sich vor allem durch die reizende Naivität aus, mit der die Kinder absurde Gegenmaßnahmen einleiten, als Nick befürchten muss, durch ein potenzielles Brüderchen aus der Gunst seiner Eltern verdrängt zu werden. (25. 11.–1. 12. Titania; 26.–28. 11. Acud, 27./28. 11. Capitol, Casablanca, Filmmuseum Potsdam, FaF, Kulturbrauerei; 27./28./30. 11. Xenon)

Selten zu sehen, da bekanntlich für öffentliche Vorführungen nur unter der Voraussetzung eines begleitenden wissenschaftlichen Vortrags erlaubt: „Jud Süß“, Veit Harlans antisemitischer Propagandafilm aus dem Jahr 1940, ein zweifellos ebenso perfides wie in seiner Verwendung melodramatischer Gestaltungmöglichkeiten verführerisches Werk. Für Interessenten an deutscher Filmgeschichte unerlässlich, den Vortrag hält der Historiker Wolfgang Wippermann. (1. 12. Urania) LARS PENNING