Gemüter beruhigt, Ursachen ungeklärt

Die Finanzkrise der Bremer Bühnen erschütterte die deutsche Theaterlandschaft, die juristische Nachbearbeitung erinnert eher an das Königlich Bayerische Amtsgericht. Immerhin erfährt der geschasste Geschäftsführer Genugtuung

Ein Defizit von 4,25 Millionen Euro, Insolvenzdrohung, ein fristlos entlassener Geschäftsführer: Die Vorgänge am Bremer Theater seit dem vergangenen Herbst schlugen bundesweit Wellen. Nie zuvor war ein großstädtisches Theater seitens seines öffentlichen Trägers mit dem möglichen Konkurs konfrontiert worden, die Gehälter wurden bereits storniert. Aber nicht nur die Stadt sah sich kulturpolitisch blamiert, auch Intendant und Geschäftsführer überzogen sich gegenseitig mit Vorwürfen. Gestern begann vor dem Bremer Landgericht die juristische Aufbereitung.

Der Duktus der Verhandlung erinnerte freilich eher an das Königlich Bayerische Amtsgericht. „Wer sich einlässt mit dem Theater, hat hinterher Theater“, landet Richter Kolbeck gleich ein entsprechendes Bonmot. Mit wallendem Silberhaar und Rundumrauschebart erhebt er sich schon optisch über die irdischen Streitigkeiten, die er zunächst mit einem „Kinder, über all‘ das streitet ihr“-Gestus referiert. Für den arbeitslosen Ex-Geschäftsführer Lutz-Uwe Dünnwald wiederum, der als Kläger auftritt, geht es um die berufliche Weiterexistenz.

Die strittigen Vorgänge: Dünnwald habe seine Berichtspflicht bezüglich der negativen Bilanzen verletzt, ungenehmigte Investitionen getätigt und einen unzulässigen Geldtransfer zwischen Theater GmbH und der zwecks Gebäudesanierung gegründeten Grundstücks GmbH in Höhe von 454.802 Euro veranlasst. „Da fällt mir gerade ein“, unterbricht sich der Richter in seinem langen Vortrag, „der Mietvertrag zwischen den Gesellschaften wurde zu einem Zeitpunkt geschlossen, als die Co KG noch gar nicht existierte – aber das ist auch wieder ein anderes Thema.“ Dann gibt es noch Bühnenboden und Schließanlage, die hätten 200.000 statt 80.000 Euro gekostet. „Ein Missverständnis!“, geht der Dünnwald-Anwalt dazwischen, „80.000 war nur die Restzahlung“. Kolbeck seufzt: „Man kann die Akte fünfmal lesen und hat es zweimal nicht kapiert.“

Die übrigen drei Male langen immerhin für einen Vergleichsvorschlag. „Wir ahnen, dass sich die Waage zu Lasten der Beklagten neigen könnte.“ Dünnwalds Anwalt schiebt eine politische Attacke hinterher: Der Kultursenator habe die Theaterkrise absichtlich überspitzt, um die Gewerkschaft an den Verhandlungstisch zu zwingen – eine Anspielung auf den mit langer Laufzeit abgeschlossenen Notlagentarifvertrag. Zumindest für Dünnwald sieht es jetzt besser aus: Der Kultursenator zieht die fristlose Kündigung zurück, Dünnwald bekommt rund 180.000 Euro als Gehaltsnachzahlung und Abfindung sowie ein „wohlwollendes“ Arbeitszeugnis. Rechtskraft erhält der Vergleich, wenn er innerhalb der kommenden drei Wochen nicht vom Kultursenator oder dessen Finanzkollegen kassiert wird. Dann allerdings würde ihnen Richter Kolbeck bestimmt im Schlaf erscheinen. HENNING BLEYL