„Ein Jahr Aufschwung nutzt nicht viel“

Das zusätzliche Steuergeld soll in Investitionen fließen, fordert Ökonom Joachim Volz, weiter zu sparen sei unnötig

taz: Die Bundesregierung nimmt viel mehr Geld ein als erwartet. Ist es richtig, damit im Wesentlichen die Schulden zu reduzieren und die Sozialbeiträge zu senken?

Joachim Volz: Es ist sicher richtig, die Beiträge zur Sozialversicherung weiter zu verringern. Man sollte das Geld aber nicht dafür verwenden, die Schulden zusätzlich abzubauen. Das wäre angesichts der konjunkturellen Aussichten nicht angemessen.

Die Wirtschaft wächst stark. Wozu die Vorsicht?

Im nächsten Jahr kann das schon wieder anders aussehen. Die weltwirtschaftliche Entwicklung wird etwas langsamer. Außerdem steigt die deutsche Mehrwertsteuer, was den privaten Konsum einschränkt. Die Bundesregierung muss deshalb versuchen, die Gesamtwirtschaft zu stabilisieren, indem sie einen Teil der fehlenden Nachfrage durch Investitionen ausgleicht.

Auch 2007 nimmt die Regierung neue Kredite von knapp 20 Milliarden Euro auf. Der Schuldenberg wächst weiter.

Aber schon viel langsamer als früher. 2007 wird das Defizit im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung wahrscheinlich nur noch 1,4 Prozent betragen. Viel weniger, als der Maastricht-Pakt vorschreibt. Deutschland wird ein Musterschüler des Euroraums. Mehr Sparen ist nicht nötig.

Obwohl Haushaltsüberschüsse noch in weiter Ferne liegen?

Neue Schulden aufnehmen zu müssen kann man langfristig nur durch höhere Steuereinnahmen verhindern. Die Voraussetzung dafür ist aber ein kräftiges, mehrjähriges Wachstum. Ein Jahr Aufschwung nutzt nicht viel. Darauf muss die Politik Wert legen. Deshalb: mehr staatliche Nachfrage, mehr Investitionen.

Wie wäre es, die Ausgaben zu kürzen?

Drastische Einsparungen bei den Ausgaben hemmen das Wachstum. Daher verbietet sich diese Strategie.

Wo soll der Staat denn mehr investieren?

Insbesondere in Forschung und Bildung. Wir müssen die Sprachkompetenzen der Kinder in den Kindergärten und Grundschulen verbessern, vor allem der Immigrantenkinder. Mehr Lehrer für die Sprachförderung einzustellen wäre keine schlechte Idee. Aber auch in der Spitzentechnologie fehlen Mittel. Das zeigt sich daran, dass viele junge Forscher ins Ausland abwandern.

Die Bundesregierung kann in der Bildung gar nicht viel tun, das ist Sache der Länder.

Aber der Bund kann Forschungsprogramme ausschreiben. Und mit den Ländern kann die Bundesregierung über finanzielle Zuschüsse verhandeln, die die Finanzminister der Länder mitunter gerne annehmen. INTERVIEW: HANNES KOCH