Weniger Schulden

VON HANNES KOCH

Die zusätzlichen Steuereinnahmen in Milliardenhöhe will Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) größtenteils verwenden, um die Schuldenaufnahme zu reduzieren. Die Neuverschuldung 2006 soll um 8 Milliarden Euro auf rund 30 Milliarden sinken. Im kommenden Jahr will Steinbrück neue Kredite von nur noch 19,6 Milliarden Euro aufnehmen. „Eine sensationell niedrige Verschuldung“, erklärte der Minister gestern, „das niedrigste Niveau seit der Wiedervereinigung.“

Kurz vor der offiziellen Verkündung hatten die Steuerschätzer ihre Prognose abgegeben. Bürger und Unternehmen liefern dieses Jahr 19,4 Milliarden Euro mehr bei den Finanzämtern ab als bisher angenommen. Nächstes Jahr sollen es 20,1 Milliarden Euro sein. Der Bund erhält 2006 davon 8,4 Milliarden und 2007 real 5,8 Milliarden. Der Rest geht an Länder und Kommunen.

Dass die Steuern so stark steigen, ist auf die günstige Konjunktur zurückzuführen. Die Wirtschaft wächst, die Bürger kaufen, die Firmen investieren. Daher steigen die Staatseinnahmen aus Steuern auf Einkommen, Gewinne und Umsatz.

In diesem Jahr will Steinbrück mit nahezu den gesamten Extraeinnahmen die Neuverschuldung reduzieren. Nächstes Jahr wird er etwa ein Drittel der zusätzlichen Milliarden für diesen Zweck verwenden. Das zweite Drittel geht dann an die Bundesländer, die einen höheren Zuschuss für die Wohnungskosten der Hartz-Empfänger beanspruchen. Bleiben noch knapp 2 Milliarden Euro übrig: Die könnten ins Gesundheitssystem fließen. Die Haushaltspolitiker der großen Koalition sollen jetzt prüfen, ob schon 2007 die Krankenversicherung der Kinder aus Steuermitteln bezuschusst werden könnte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte diese Lösung schon vor einiger Zeit ins Gespräch gebracht. Positiver Effekt für die Bürger: Ihre Krankenkassenbeiträge würden nicht so stark steigen wie gegenwärtig geplant. Die Bundesregierung gäbe einen kleinen Teil der Mehrwertsteuererhöhung ab Januar 2007 an die Bürger zurück.

Auch die geplanten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sollen reduziert werden. Die große Koalition hatte bislang die Senkung von 6,5 auf 4,5 Prozent vereinbart, nun werden 4,2 Prozent angepeilt. Das muss allerdings die Bundesagentur für Arbeit bezahlen. Wegen der positiven Wirtschaftsentwicklung geht bei ihr mehr Geld aus den Versicherungsbeiträgen der Beschäftigten ein.

Während Bundeskanzlerin Merkel und die Spitze der Union in den vergangenen Woche die Notwendigkeit niedrigerer Sozialbeiträge betont hatte, plädierte der Finanzminister eher für den Schuldenabbau. Bei seinem gestrigen Treffen mit Merkel setzte Steinbrück sich in wesentlichen Punkten durch.

Teilweise allerdings löst die große Koalition auch ihr Versprechen ein, die Sozialbeiträge zu senken. Einerseits will man die Konjunktur unterstützen, weil die Bundesbürger mehr Geld ausgeben können. Andererseits sinken die Arbeitskosten, was die Situation der Unternehmen im internationalen Wettbewerb verbessert. Mit dem Feuerwerk von guten Nachrichten versucht die Regierung nun, die schlechte Meinung der Wähler positiv zu beeinflussen. Nach einer Forsa-Erhebung würden nur noch 28 Prozent der Befragten für die Union stimmen, 29 Prozent für die SPD – selten niedrige Werte.

Die FDP forderte, auf die aus ihrer Sicht konjunkturschädliche und unsoziale Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent ab Januar zu verzichten.