Rollenspiele in der Musik

Es ist ja einfach nur Musik, aber…

Wenn man sich etwa, als besonders konturiertes Beispiel, mal die Rolling Stones anschaut, wird diesen Herren schon gern der Vorwurf gemacht, dass sie doch nur an ihrem alten Stiefel herumkauen würden und das allein noch als Geschäft verrichten. Gar nicht mehr echt sei das und der Rock‘n‘Roll nur eine Behauptung. Oder, weiterer Vorwurf, an diese Band und den Rock ganz allgemein: Dieses blöde Rumschreien auf einer Bühne mit dem Tanz um den Schwitzfleck und das ganze Authentizitätgedöns. Das ist doch Rock, der ja bereits als Kind auf den Kopf gefallen ist! Irgendwie gar nicht zurechnungsfähig und vor allem nicht Pop, wo man sich zu seiner Künstlichkeit bekennt und mit den Rollen spielt und in allen Genderfragen. Vorbildhaftes Aufbrechen von Verkrustungen. Auf Madonna verwies man dabei gern und aktuell hat deren Rolle Lady Gaga übernommen.

Aber: Wenn sie bei der Arbeit ist, schwitzt sie nicht?

Und dann ist es ja auch so, dass dieses vorbildhafte Spiel mit den Rollen und dass man sich immer neu definieren kann im Pop in einer Art multiplem Individualismus halt einen normalkapitalistisch organsierten Apparat braucht hinter den Ladies und Madonnas, der die erst möglich macht. Die Tänzer, Musiker, Produzenten… Die spielen nicht mit den Rollen. Die gehen einfach zur Arbeit und machen, was von ihnen verlangt wird. Nach Feierabend können sie ja damit anfangen, sich vielleicht mal selbst zu verwirklichen. Wahrhaft emanzipatorisch ist so ein klassisches Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Modell nun nicht.

Vielleicht wärmt man sich deswegen gern an so althergebrachten Visionen, wie sie The Pyramids am Sonntag in der Volksbühne in der Wiederaufführung geben. Erstmals zusammen kam das Jazzkollektiv Anfang der Siebziger, als der Jazz gerade zum hymnischen freien Spiel aufgebrochen war, mit ekstatischem Trommeln und mächtigen Chorussen, aus denen sich die Einzelstimmen lösten. Immer hin und her. Eine pulsierende, eine visionäre Musik, die auch gelebt wurde, als soziales Experiment in der Gemeinschaft. Musikalische Kommunen. Kollektive Utopien. Das alles hört man in dieser Musik, auch heute noch, und daran kann man sich zwischendurch schon auch mal kurz festhalten, selbst wenn The Pyramids sich bereits 1977 erst einmal trennten. Einzeln weitermachten. Und drei Jahrzente später wieder zusammenfanden. Bestimmt in anderen sozialen Aggregatzuständen. Aber doch wieder mit ihrer Musik, die die alten Möglichkeiten einer anderen Musik, eines anderen Lebens ahnt. THOMAS MAUCH

■ The Pyramids: Volksbühne, Sonntag, 20 Uhr. 18/14 €