Westfälischer Unfrieden

Nach dem 1:1 gegen Arminia Bielefeld wächst der Druck auf Dortmunds Trainer Bert van Marwijk. Vorstand und Fans reagieren negativ. Gästecoach Thomas von Hessen als Nachfolger im Gespräch

„Über 90 Minuten war das zu wenig“, sagt Geschäftsfüher Watzke

AUS DORTMUNDMARCUS BARK

Christian Wörns erinnert in diesen Tagen an einen Roulettespieler, der immer nur auf die geraden Zahlen setzt. Wenn die kleine Kugel dann wieder auf einer ungeraden gelandet ist, hofft er auf die nächste Chance. Nach dem glücklichen 1:1 von Borussia Dortmund gegen Arminia Bielefeld sagte der BVB-Verteidiger: „Wir Spieler haben es nicht geschafft, einen Sieg einzufahren. Gegen Aachen wird dies anders sein.“ Die Alemannia kommt schon morgen ins Revier. Es sind eher die trudelnden Aachener, die Dortmund Hoffnungen auf den zweiten Heimsieg machen. Von der einst in der Bundesliga gefürchteten Heimstärke ist bei den Borussen nichts geblieben. Die vier letzten Mannschaften der Tabelle waren in dieser Saison bereits zu Gast. Nur gegen den HSV gab es einen Sieg.

Borussia Dortmund spielte gegen Bielefeld nur in den letzten 30 Minuten der ersten Halbzeit ansehnlichen Fußball. Die in der Vorwoche vorgenommene Rückkehr zum 4-3-3-System zahlte sich aus, weil Tinga in seiner neuen Mittelfeldrolle mehr ins Zentrum rückte und dem Spiel zeitweise Struktur verlieh. Trotz einiger guter Chancen brachten aber erst die simpelsten Mittel, die der Sport zu bieten hat, Erfolg. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke senkte wieder einmal den Daumen: „Über 90 Minuten war das zu wenig.“ Komplimente gab es für den Gegner. „Die Bielefelder haben mir heute schon imponiert“, sagte Watzke. Der gute Tabellenplatz sei „kein Zufall“.

Wie sind diese Aussagen zu werten? Lässt jemand zufällig einen Trainer im Regen stehen, mit dem er vor wenigen Tagen den Frieden auf ewige Zeiten proklamierte? Lobt jemand eine Mannschaft zufällig, bei der klar die Handschrift des Trainers Thomas von Heesen erkennbar ist, der seit Tagen als Nachfolger van Marwijks gehandelt wird? Es gibt noch eine andere Frage: Wen meinte BVB-Trainer, als er zürnte: „Man lässt uns und mich nicht in Ruhe. Ich kann das nicht ändern, wenn die Leute daran Spaß haben.“ In Dortmund wird derzeit abseits des Fußballplatzes ein Spiel gespielt, das wesentlich komplizierter gestrickt ist als die Vorführungen auf dem Rasen.

Am Samstag waren viele von denen schon verschwunden, als es bis in die Nachspielzeit danach aussah, als solle es sogar die erste Heimniederlage für den BVB geben. Bielefeld führte durch das vierte Saisontor von Artur Wichniarek mit 1:0 (68. Minute), als die Verzweiflung der Borussia am größten war. Trainer Bert van Marwijk gestand schon etwa zehn Minuten früher ein, dass er nichts anderes mehr parat hatte, als vom holländischen System auf ein prähistorisches, englisches kick and rush umzustellen. Verteidiger Markus Brzenska wurde für den vier Millionen Euro teuren Neuzugang Nelson Valdez eingewechselt und dort hingestellt, wo der Ball nach dem Besuch des Himmels wieder auf die Erde donnerte: Mittelstürmerposition. Beim letzten Einschlag tummelte sich dort auch Ebi Smolarek, den Petr Gabriel für einen Moment (vielleicht hatte er Sterne beobachtet) aus den Augen verloren hatte. Gabriel drückte Smolarek um, sah die Rote Karte, und Alexander Frei verwandelte den Elfmeter zum 1:1. Es war das dritte Heim-Unentschieden in Folge. Ein Roulettespieler muss irgendwann den Bankrott erklären, wenn er nie gewinnt.