480 Euro – Gerechtigkeit hat ihren Preis

Pakistani vom Amtsgericht verwarnt: Volltrunkene Rangelei nach „Raub“ eines 5-Euro-Scheines endete blutig

Bernd Gabler zuckt nach der Verhandlung mit den Schultern. Warum er gerade einen Raub angeklagt hat, dass kann auch der Staatsanwalt nicht mehr so genau sagen. Ein Kollege war’s, der das ermittelte. Gabler hat nur diesen einen Sitzungstermin im Bremer Amtsgericht übernommen. „Und nach Aktenlage war die Anklage schon in Ordnung“, findet Gabler.

Also „Raub“. Raub eines Fünf-Euro-Scheines. Wie es genau zu dieser Tat kam, damals im Februar 2004, daran kann sich auch das Opfer, Frau A., heute nicht mehr genau erinnern. Und der Angeklagte Israr R. sowieso nicht. Das mag daran liegen, dass er in jener Nacht mindestens 2,4 Promille Alkohol im Blut hatte. „Vielleicht will er sich aber auch nicht erinnern“, sagt sein Anwalt.

Zu dritt saß man bei einem Horrorstreifen zusammen, dazu gab es Bacardi, Wodka, Korn. A. bekam fünf Euro geschenkt. Wenn sie auch nicht so genau weiß, weshalb eigentlich. Und R. wollte ihr das Geld wohl aus der Hand nehmen, irgendwie. „Das war alles nur, weil ich breit war“, sagt er heute. Es folgte eine Rangelei auf der Straße, in der A. geschubst wurde, geschlagen, an den Haaren gezogen. Jedenfalls war der Geldschein am Ende blutverschmiert, eine Nachbarin rief die Polizei herbei: „Der ist total ausgeflippt“, sagt sie. Der Staatsanwaltschaft sah das nicht nur als einfache Körperverletzung an, sondern als Raub. Der Streitwert von fünf Euro ist dabei unerheblich, sagt Richter Hartmut Hogenkamp. „Da macht das Gesetz keinen Unterschied.“

Israr R. verbüßte deshalb sogar 17 Tage Untersuchungshaft. Weil er, aus Pakistan stammend, längere Zeit im fernen Spanien weilte, erließ das Gericht kurzerhand einen Haftbefehl. Alkohol trinkt er keinen mehr, seit er im Knast saß – sagt jedenfalls sein Anwalt. Und das Techtelmechtel mit A. sei auch zu Ende, schließlich ist R. jetzt verheiratet. Und kein Asylbewerber mehr.

Am Dienstag stand der 28-Jährige denn auch bereits das zweite Mal in dieser Sache vor Gericht, insgesamt vier Zeugen wurden vorgeladen. „Die Gerechtigkeit nimmt ihren Lauf“, sagt der Amtsrichter, als er schließlich mit wehenden weißen Haaren zur Urteilsverkündung erscheint. 480 Euro Geldstrafe auf Bewährung wird er gleich verhängen, zudem eine Verwarnung. Wegen Körperverletzung. Außerdem muss R. 100 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Keinesfalls soll die Ehefrau des arbeitslosen Angeklagten seine Strafe abzahlen. R. nickt. Staatsanwalt Bernd Gabler auch: „Ich kann damit leben.“ Jan Zier