DIE KRITIK AN CHINAS AFRIKAPOLITIK GREIFT ZU KURZ
: Im Spiegel der eigenen Verbrechen

Jeder Chinese in Afrika erscheint dem westlichen Publikum heute wie ein neuer Eroberer. Dieser Chinese sucht in Afrika nichts anderes als Rohstoffe. Er ist eine Neokolonialist. Unisono schimpfen deshalb europäische Dritte-Welt-Gruppen und die Weltbank über die Morallosigkeit der Pekinger Afrikapolitik. Diese fördere nur korrupte bis mörderische Regime und unterlaufe eine an Bedingungen geknüpfte Kreditpolitik des Westens, sind sich Dritte-Welt-Aktivisten mit Weltbankchef Paul Wolfowitz einig. Ihr Sündenbeispiel ist der Sudan, wo China bis heute ein Regime unterstützt, das in Dafur den Völkermord zulässt.

Wo die Kritiker recht haben, haben sie recht: Chinas Sudanpolitik war bislang unakzeptabel. Allerdings steuert Peking dieser Tage um und drängt Khartum inzwischen immer offener, eine UN-Truppe in Dafur zu akzeptieren. Wie im Fall Nordkoreas könnte sich bald auch am Beispiel Sudan zeigen, dass sich die Parteidiktatur in Peking nicht mehr ins weltpolitische Abseits drängen lässt. Dafür ist ihr Interesse am Status quo der Globalisierung zu stark. Gerade deshalb aber geht die westliche Kritik am chinesischen Neokolonialismus in Afrika zu weit. Sie bleibt letztlich der europäischen Vergangenheit verhaftet und sieht die „Sinisierung Afrikas“ nur im Rückspiegel eigener Kolonialverbrechen. In Wirklichkeit aber ist die auf dem Pekinger Gipfel von den afrikanischen Staaten bezeugte „Inspiration“ keine Floskel, sondern echt.

China hat sich das westliche Modell zunutze gemacht, Afrika ist das nie gelungen. Doch Afrika will heute mit aller Macht testen, ob sich das chinesische Modell bewähren kann. Es verlangt von China keine Hilfe, es will vielmehr im Handel mit China die Härtetests der Globalisierung bestehen. Diese mutigen Gedanken sind es, die die Tüchtigen unter den afrikanischen Staatschefs am Wochenende nach Peking brachten. Für den Westen wäre das eine Gelegenheit, sich einzugestehen, wie unattraktiv seine Afrikapolitik im Vergleich zur chinesischen ist – statt davon abzulenken, indem man immer wieder über Chinas Sünden in Sudan oder in Simbabwe redet. GEORG BLUME