Die US-Senatorin mit der Tarnkappe

Die Wiederwahl von Hillary Clinton in den Senat gilt als sicher. Die frühere First Lady hat viel an ihrem Image gearbeitet – auch im Hinblick auf eine Kandidatur bei den Präsidentenwahlen 2008. Doch wofür sie wirklich steht, weiß niemand so ganz genau

AUS WASHINGTON BERND PICKERT

Ihr Wahlkampf ist ein einziger großer Widerspruch: Hillary Rodham Clinton, seit sechs Jahren Senatorin aus New York, hat von ihrem republikanischen Herausforderer, dem früheren Kleinstadtbürgermeister John Spencer, nichts zu befürchten – und dennoch hat sie mehr Geld zusammenbekommen als jeder andere: Fast 50 Millionen Dollar hat sie für eine Wiederwahl zur Verfügung, die niemand im Land als gefährdet ansieht. Das Geld hebt sie auf. Sie könnte es gebrauchen – wenn sich die frühere First Lady tatsächlich entscheiden sollte, 2008 als demokratische Kandidatin für die Präsidentschaft anzutreten.

Das aber lässt sie offen. Mehrmals wurde sie etwa bei der ersten Fernsehdebatte mit John Spencer gefragt, ob sie ihren Wählern versprechen könnte, tatsächlich weitere sechs Jahre Senatorin zu bleiben – und antwortete nur, sie habe sich noch nicht entschieden, und wen das störe, der solle es bei der Wahlentscheidung berücksichtigen.

So spricht, wer sich sicher fühlt – und sicher bleiben will. Tatsächlich gilt Hillary Clinton als gesetzte Kandidatin für die demokratische Präsidentschaftskandidatur 2008. Sie hat in den letzten sechs Jahren im Senat alles getan, um ihre Chancen zu vergrößern. Hatten viele befürchtet, dass sie dort als Diva einziehen würde, so berichten Insider, dass Clinton sich nahezu devot in ihren Status als „junior senator“ gefügt, den Rat der älteren und den Brückenschlag auch zu ihren Gegnern gesucht habe.

Und doch spricht niemand, der sich einen Wechsel im Weißen Haus 2008 wünscht, über Hillary Clinton, ohne die Stirn zu runzeln. Ist sie für eine Mehrheit der US-WählerInnen akzeptabel? Hat sie ihren Status als meistgehasste Frau in den USA überwunden? Ist sie nicht für WählerInnen der politischen Mitte in einem Land, dessen Werteskala sich nach rechts verschoben hat, noch immer viel zu liberal?

Clinton hat alles getan, um ihr Image zu korrigieren. Sie hat im Senat eine Reihe von Gesetzesinitiativen mit auf den Weg gebracht, die gut sind für den Staat New York, die ihr Anerkennung und Respekt verschafft haben – ob es nun darum ging, nach dem 11. September 20 Milliarden Dollar für das Aufräumen in Manhattan aufzutreiben, ob sie erfolgreich die Schließung einiger Militärbasen und den damit verbundenen Arbeitsplatzverlust verhinderte oder sich gegen gewalttätige Videospiele einsetzte.

Nur: Ein politisches Profil hat das alles nicht. Und das ist Absicht. „Jeder andere Senator darf Fehler machen. Ich nicht“, erklärte Hillary Clinton jüngst einem Reporter des Atlantic Monthly. Tatsächlich steht kein anderer Senator so sehr unter medialer Beobachtung wie sie. Das Geld, das sie zusammenbringt, ist der positive Spiegel der Berühmtheit; Misstrauen und Missgunst die Kehrseite.

Das Ergebnis: Kein Mensch weiß, wofür Hillary Clinton steht. Selbst in mehreren politischen Grundsatzreden, die sie in diesem Jahr gehalten hat, geht sie genau so weit, wie es der demokratische Mainstream mitträgt und die New York Times goutiert. Aber Impulse? Fehlanzeige. Nicht zuletzt dank Clintons Einfluss auf die demokratische Führung wird inzwischen die ganze Partei so wahrgenommen: lau, uninspiriert, ideenlos.

Für die Wahl morgen reicht das. Nur: Übernehmen die Demokraten die Mehrheit im Kongress, werden sie 2008 selbst zur Verantwortung gezogen werden. Für Hillary Clinton wird die Lage damit nicht einfacher. Wie ihre KollegInnen im Senat und Repräsentantenhaus müsste sie ihr Profil schärfen, um die Hoffnungen der WählerInnen in einen Wechsel in Washington nicht zu sehr zu enttäuschen. Gleichzeitig wird gerade sie in der Rolle der Tarnkappensenatorin bleiben wollen, um ihren Gegnern nicht zu viel Angriffsfläche zu bieten.

Wer das sein wird, weiß auch noch niemand. Vieles spricht dafür, dass Senator John McCain gute Chancen auf die republikanische Kandidatur hat. Der Journalist Mark Halperin sagt: „John McCain würde gegen jeden Demokraten gewinnen, einschließlich Hillary Clinton, und Clinton würde jeden Republikaner schlagen, außer John McCain.“ Vielleicht überlegt sie es sich doch noch anders. Wer weiß.