Olmert will die Gaza-Invasion fortsetzen

Seit Beginn der militärischen Offensive Israels sind 50 Palästinenser ums Leben gekommen. Militante Gruppen drohen mit neuen Selbstmordanschlägen. Fatah und Hamas verhandeln wieder über eine Technokraten-Regierung der nationalen Einheit

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Die israelische Militäroperation im Gaza-Streifen soll fortgesetzt werden, bis der Beschuss von palästinensischen Kassam-Raketen nachlässt. „Wir haben nicht die Absicht, Gaza erneut zu besetzen“, betonte Israels Premierminister Ehud Olmert gestern vor dem Kabinett. Annähernd 50 Palästinenser, darunter Frauen und Kinder, starben seit Beginn der Operation „Herbstwolken“.

Ähnlich wie während des Libanonkrieges, als die Hisbollah bis zum letzten Tag der Gefechte eine große Zahl von Raketen auf Israel abfeuerten, intensivierten die Palästinenser die Angriffe mit Beginn der militärischen Operation. Olmerts erklärtes Ziel der Militärinvasion ist insofern problematisch, da selbst ein großes Truppenaufgebot den nördlichen Gaza-Streifen nicht unter Kontrolle bringen kann. Die selbstgefertigten Raketen der Palästinenser richten verhältnismäßig wenig Schaden an und bislang wurden kaum Menschen verletzt. Dennoch lähmt die Raketenbedrohung den Alltag in der Negev-Stadt Sderot, wo bis gestern Nachmittag erneut fünf Raketen einschlugen. Mehrere Schulen, die nicht über gesicherte Klassenzimmer verfügen, werden von den Eltern bestreikt.

Das Volkswiderstandskomitee im Gaza-Streifen, eine Art Dachverband von militanten Gruppen, kündigte am Wochenende die Wiederaufnahme der Selbstmordattentate an, sollte die israelische Armee die Truppen nicht innerhalb von 48 Stunden abziehen. Gestern früh wurden drei Palästinenser im Westjordanland festgenommen, die große Sprengstoffmengen bei sich trugen und offenbar auf dem Weg zu einem Attentat waren. In Jerusalem herrschte über Stunden erhöhte Alarmstufe.

Mahmud Sahar, palästinensischer Außenminister (Hamas), warnte zudem davor, dass die israelischen Angriffe den seit Ende Juni entführten Soldaten Gilad Schalit treffen könnten. Das wertete israelische Vize-Verteidigungsminister Efraim Sneh als „Propaganda-Kampagne“, um die Moral der Soldaten aufzuweichen. Die Verhandlungen über einen möglichen Gefangenenaustausch stecken erneut fest. Die Hamas erhöhte ihre Forderung der Freilassung von zunächst 1.000 auf 1.500 inhaftierte Palästinenser im Gegenzug für die Freigabe Schalits.

Wie die palästinensische Tageszeitung Al-Ayyam gestern unter Berufung auf „informierte Quellen“ berichtete, sind sich Fatah und Hamas grundsätzlich einig über ein gemeinsames Kabinett von Technokraten. Letzter Streitpunkt sei die Ernennung des Regierungschefs. Diesen Posten reklamiert Hamas für sich. Das Parlament soll der künftigen Regierung der Nationalen Einheit eine Arbeitsphase von mindestens einem Jahr garantieren, wobei die interne Sicherheit und wirtschaftliche Fragen die Agenda bestimmen. Für politische Angelegenheiten wie den Friedensprozess sei Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und die PLO zuständig.

Der Menschenrechtsaktivist Mustafa Barghuti, der zwischen Abbas und Premierminister Ismael Hanijeh (Hamas) vermittelt, zeigte sich zuversichtlich, dass die beiden Parteien „innerhalb der kommenden zwei Tage“ eine Einigung erreichen werden. Mit einer Regierung aus „für ihre Integrität und Kompetenz bekannter Technokraten“, so Barghuti, soll der internationale Boykott beendet werden.