„Bei Land unter kommt keiner“

FESTE FEIERN Gegen die Gezeiten kann auch der Pfarrer nicht an. Deshalb fällt auf Hallig Gröde in manchen Jahren der Heiligabend-Gottesdienst aus – wegen Eisschollen zum Beispiel

■ der 46-Jährige stammt aus Hamburg und ist seit 17 Jahren Pastor für die Halligen Langeness, Oland und Gröde. Foto: privat

INTERVIEW PETRA SCHELLEN

taz: Herr Krämer, ist es Ihnen als Hamburger leicht gefallen, auf eine Hallig zu ziehen?

Matthias Krämer: Es war jedenfalls ein Wagnis. Aber als nach meinem Vikariat klar wurde, dass in Hamburg keine Pfarrstelle frei sein würde, habe ich mich eben auf die freie Stelle auf Langeness beworben, obwohl ich noch nie auf einem Dorf gelebt hatte. Aber da mich die Menschen hier sehr freundlich aufgenommen haben, sind fast 17 Jahre daraus geworden.

Welche Halligen betreuen Sie?

Ich wohne mit meiner Familie auf Langeness und bin zuständig für Langeness, Oland und Gröde. Das sind drei selbstständige Kirchengemeinden, von denen Langeness mit knapp 100 Mitgliedern die größte ist. Oland und Gröde haben 25 bzw. 15 Gemeindemitglieder.

Wie überwinden Sie das Meer?

Nach Oland führt ein Lorendamm. Ich befahren ihn mit einer kleinen Motorlore, die ich mir mit meinem Gemeindepfleger und dem Krankenpfleger teile. Dort kann ich bei Flut allerdings nicht fahren, daher plane ich die Gottesdienste so, dass dann Ebbe ist. Gröde dagegen kann ich von Langeness aus nur mit dem Schiff erreichen. Da fahre ich mit dem Postschiffer, den ich für diese Fahrten anmiete.

Wie viele Gottesdienste halten Sie?

Auf Langeness und Oland ist 14-tägig Gottesdienst, auf Gröde einmal im Monat. Im Juli und August, wenn viele Urlauber hier sind, ist auf Langeness und Oland wöchentlich Gottesdienst.

Ist ein Weihnachtsgottesdienst auf der Hallig anders als auf dem Festland?

Allenfalls insofern, als sich die Halligbewohner fast alle versammeln. Etwas Besonderes ist das eher für unsere Gäste.

Haben Sie besonders anrührende Weihnachten erlebt?

Ich habe jedenfalls schon Weihnachten erlebt, das ins Wasser fiel. Einmal war auf Langness zum normalen 17-Uhr-Gottesdienst Land unter, sodass keiner kommen konnte. Manchmal wiederum können wir auf allen drei Halligen einen Heiligabend-Gottesdienst feiern.

Wenn Sie es logistisch hinbekommen.

Ja, und dazu gehört natürlich auch Ebbe und Flut. Denn für Gröde brauche ich die Flut. Außerdem fährt der Postschiffer nicht bei Dunkelheit und nur bis Windstärke sechs. Und manchmal setzt vor Weihnachten schon der Eiswinter ein, sodass man nicht mehr Schiff fahren kann.

In solchen Jahren fällt der Heiligabend-Gottesdienst aus?

Ja, jedenfalls auf Gröde. Im letzten Winter zum Beispiel war ich monatelang nicht auf Gröde. Früher, in meinem ersten Jahr hier, bin ich, weil es von den Gezeiten her nicht anders ging, zum Festland gefahren und von dort übers Watt nach Gröde gewandert, um den Heiligabend-Gottesdienst zu feiern. Das heißt aber auch, dass mir von Gröde jemand übers Watt entgegenkommen muss – und dass die Oländer morgens um zehn ihren Heiligabend-Gottesdienst haben, damit ich es zeitlich schaffe. Deshalb haben wir inzwischen entschieden, das zu lassen.