DIE WERBEPAUSE
: Holzlöffel-Nostalgie

Eine Frau in sorbischer Tracht – mit Haube, roter Schleife, floralen Stickereien und dem ganzen Pipapo – streckt dem Betrachter einen Löffel mit Kartoffelsalat entgegen, den sie soeben in ihrem weißen Porzellanschüsselchen angerührt zu haben scheint.

Nicht irgendeinen Löffel natürlich, sondern einen Holzlöffel, damit es besonders authentisch wirkt. „Den Geschmack des Spreewaldes genießen!“, steht daneben. Und wir, die Verbraucher, denen nun das Wasser im Munde zusammenlaufen soll, will man offenbar glauben machen, dass der „Golßener Spreewälder Frühlingskartoffelsalat“ mit Essig und Öl oder mit Mayonnaise nach wie vor von Hand und mit viel Liebe zubereitet wird. Von dieser adretten jungen Dame nämlich mit dem verführerischen Lächeln. Njam!

Wir sollen uns zurückversetzen in eine Zeit, in der wir alle längst nicht mehr aufgewachsen sind. Denn so wie diese Frau in sorbischer Tracht kochten nicht mal unsere Großmütter. Als die kochten, herrschte entweder Krieg und man war froh, wenn überhaupt eine Kartoffel in der Suppe schwamm, oder sie waren längst im Wirtschaftswunder-Deutschland angekommen und da waren Tiefkühlkost und Fertiggerichte der letzte Schrei. Die Jüngeren unter uns, die von Öko-Eltern großgezogen wurden, mögen womöglich wieder mit holzlöffelgerührtem Kartoffelsalat großgezogen worden sein. Dass deren Mütter aber eine sorbische Tracht trugen, ist eher unwahrscheinlich.

Dass Lebensmittelhersteller mit Trugbildern für ihre Produkte werben, ist nicht neu. Kein Hanuta-Riegel hat jemals die Backstube dieser schönen jungen Frau mit dem einladenden Dekolletee gesehen und „Die Wurst von der Rügenwalder Mühle“ wird natürlich auch nicht in diesem Miniding mit den roten Schindeln neben wogenden Baumwipfeln gemacht.

Die Lebensmittelhersteller haben ein Problem: Die Realität will niemand sehen. Blank gewienerte Stahldüsen, aus denen grobe Teewurst oder Kartoffelsalat in die Portionsschalen gespritzt werden, Fließbandüberwacher mit Mundschutz und Haube? Irgendwie nicht so appetitlich.

Wären die Hersteller aber gezwungen, die Realität abzubilden, könnte das dazu führen, dass die Verbraucher ihren Kartoffelsalat in Zukunft tatsächlich wieder selbst anrühren, statt den aus der Packung zu kaufen. Und das kommt natürlich nicht in Frage. Also ist die Illusion, von der jeder weiß, dass sie eine ist, offenbar für alle Beteiligten die beste Lösung. MAHA