Der Perfektionismus sitzt bei ihnen so tief

R & B UND GLAMOUR Das US-Produzentengespann N.E.R.D. klingt auf seinem neuen Album geradezu laid back

Die dreiköpfige Band N.E.R.D. besteht aus dem Produzententeam Pharrell Williams und Chad Hugo (zusammen auch bekannt als The Neptunes) und dem Sänger Shay.

„Nothing“ ist ihr viertes Album. Die vorangegangenen Alben hießen „In Search Of …“ (2001), „Fly or Die“ (2004) und „Seeing Sounds“ (2008).

Der Bandname soll als Akronym für No One Ever Really Dies stehen.

VON JULIA GROSSE

Wer Pharrell Williams schon einmal in seinem Aufnahmestudio beobachtet hat, sieht einen genialen Verhaltensgestörten. Der seinen Manager wie ein Alien anschaut, wenn der ihn nach stundenlanger Arbeit irgendwann fragt, was für ein Topping er auf seine Pizza will. Lieber sitzt Williams da und singt eine Zeile so lange in seiner fiebrig souligen Stimme durch, bis sie fast unerträglich perfekt ist.

Dieser Perfektionismus sitzt so tief, dass er, Chad Hugo und Shae Haley von N.E.R.D. im vergangenen Jahr bereits 20 fertige Songs über den Haufen warfen und sich noch ein bisschen weiter quälten, vor lauter Sorge, in die Falle der eigenen Erfolgsformel des N.E.R.D.-Sounds zu fallen: Musik, die klang, als habe man HipHop-Kids zu lange in einem Rockkeller eingesperrt.

Experimentelles, anziehendes Proberaum-Testosteron, das irgendwann selbst den Mainstream mit Steißbein-Tattoo anzog. Zwar waren minimalistische Indiegitarren und coole Trompeten, die ihren Stil geprägt haben, auch auf diesem Album zu hören. Doch Songs wie „Party People“, die in BMX-Baggypants-Beats schönen Mädchen in knappen Hotpants nachjagen, gibt es auf „Nothing“ erfreulicherweise kaum noch. Die Atmosphäre ist nun bedachter, alles ist langsamer mit fast gospelhaft reinhauchenden Chören, souligen Bläsern und lustigen Hammond-Orgeln, wodurch Stücke wie „God Bless Us All“, „Hot-n-Fun“ mit Nelly Furtado oder „Perfect Defect“ eher klingen wie kostbare Fragmente zu jenen unzähligen, grandiosen Hits, die Williams und Hugo als Produzententeam „The Neptunes“ für Justin Timberlake, Britney Spears, The Clipse, Jay-Z oder Snoop Dogg aus dem Hut gezaubert haben.

Die Atmosphäre ist nun bedachter, und es gibt fast gospelhaft reinhauchende Chöre

Das Stück „Nothing On You“ dagegen erinnert an Sampleträume erwachsener Männer, die von ihren Teenager-TV-Serien von „Trio mit Vier Fäusten“ bis „Ein Colt für alle Fälle“ nicht loskommen. In einem der ersten Videos zum Album, der digital-hauchenden Daft-Punk-Kollaboration „Hypnotize U“ aalt sich Pharrell Williams zwar nicht weniger hedonistisch in der eigenen Ästhetik seines stets säuberlich eingeölten Gym-Bodies, doch baut er nun zusätzlich ganz ungeniert sein gesteigertes Interesse für zeitgenössische Kunst ein: die unzähligen, blutjungen, kurvigen Mädchen, die er in seiner Villa hypnotisiert, stehen starräugig am Pool, räkeln sich im Salon oder reihen sich artig vor Pharrells Privatjet auf.

Ganz eindeutig inspiriert von den legendären, stets stundenlang herumstehenden, halbnackten Modellen der Performancekünstlerin Vanessa Beecroft.

■ N.E.R.D. „Nothing“ (DefJam/ Universal)