LESERINNENBRIEFE :
Luther-Deutsche und Nationalsozialisten
■ betr.: „Alles Luther!“, sonntaz vom 20./21. 11. 2010
Wenn man der Schreiberin auf ihrem Rundgang durch die Lutherstadt Wittenberg folgt, begegnet man mit einigem Glück dem „Traumpaar der Reformation“, Luther und Melanchthon, „am Wurststand des Weihnachtsmarkts“. Die andere, nicht so schmucke Seite der Stadt bleibt unbeabsichtigt und damit – ob man will oder nicht – immer noch lebendig. Sie scheint in der 1988 eingeweihten Bodenplatte unter der „Judensau“ zum Andenken an die ermordeten Juden des Dritten Reiches auf.
In keiner anderen deutschen Stadt sind sich Protestantismus und Nationalsozialismus so nahe gekommen wie in Wittenberg. Die NS-Propaganda sprach von Hitler als neuem Luther, diesmal der politischen Tat.
So war es gewiss kein Zufall, dass der erste und einzige evangelische Reichsbischof im Amt in Wittenberg Ende September 1933 gekürt wurde: Höhepunkt und gleichzeitig Beginn des Niedergangs der Glaubensbewegung Deutscher Christen (DC) – einer Bewegung, gut verankert in der Pfarrerschaft, die Protestantismus und Nationalsozialismus verschmelzen wollte und deren radikaler Flügel rabiate Nationalsozialisten waren – weil hier schon zu erkennen war, dass Hitler seine Kirchenpolitik geändert und er vom Projekt einer Gleichschaltung der protestantischen Kirche Abstand genommen hatte. Die DC „endeten“ einflusslos 1938 als „Luther-Deutsche“.
Tragisch liest sich das Schicksal des Wittenberger Superintendenten Maximilian Meichßner, selbst in der Glaubensbewegung DC, der in einer Predigt Anfang 1936 – als die antisemitische Verfolgung deutlich zu sehen war – den von den Juden enttäuschten Luther zitierte: „Den nächsten Juden werde ich in der Elbe taufen, aber mit einem Stein um den Hals.“
Hier ist gut zu studieren, wie religiöser antijüdischer Affekt und antisemitische Hetze sich gegenseitig befördern, um schließlich das zur Tat werden zu lassen, was anfänglich nur im übertragenen Sinn gemeint war. Er kam selbst 1944 in Haft und sein Sohn Joachim Meichßner wurde im Zusammenhang mit dem 20. Juli hingerichtet.
Die „geschichtliche Lücke“ in Ihrem Artikel ist kein Zufall. Es fällt der Wittenberger Kirche, wohl aufgrund zumindest punktueller Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten, heutzutage immer noch schwer, sich rückhaltlos in den Dienst der historischen Aufklärung zu stellen.
DETLEV STUMMEYER, Neckarhausen
Blockaden und Besetzungen
■ betr.: „Generalstreik legt Portugal lahm“, taz vom 25. 11. 10
Dem Artikel über den Generalstreik ist noch hinzuzufügen, dass neben der sehr erfolgreichen Mobilisierung vonseiten der Gewerkschaften auch die antikapitalistische Bewegung im Zuge von Kürzungen, Prekariat, sozialer Kälte und undemokratischen Entscheidungen steten Zulauf und Erfolge verbuchen kann. Schon beim Nato-Gipfel vor knapp einer Woche wurde erstmalig seit der Revolution 1974 zu zivilem Ungehorsam aufgerufen und es kam zu gewaltfreien Straßenblockaden. Sie wurden zum großen Teil von PortugiesInnen getragen, da die Polizei mehrere 100 internationale FriedensaktivistInnen an der Grenze zurückgewiesen hatte. Auch im Rahmen des Generalstreiks demonstrierte die junge, parteiungebundene Bewegung mit mehreren hundert AnhängerInnen durch Lissabon und besetzte schließlich eines der 4.600 leeren und ungenutzten Häuser der Stadt. Mehr als je zuvor ergänzen sich Basisbewegungen mit gezielten Aktionen und Gewerkschaften mit Massenmobilisierungen. Premier Socrates versuchte zwar, unbeeindruckt zu wirken, wird seine Sparpläne aber nicht ohne Weiteres durchbekommen.
SILVIA HABLE, Almada, Portugal
Lieber Uran- als Cadmiumverbot
■ betr.: „Gift in Solarzellen“, taz vom 24. 11. 10
Diese Diskussion über Gift in den Solarzellen passt der jetzigen Regierung genau ins Konzept. Auch wenn Cadmium giftig ist, ist es in den Solarpanels sicher verschweißt, schon aus technischen Gründen. Zudem weiß jeder, wo sich dieses Material auf dem Dach in fester Form befindet. In dieser Zeit entwickelt Cadmium weder giftige Dämpfe, noch emittiert es Strahlung. Im Gegenteil, es schluckt Sonnenlicht und schenkt uns dafür elektrischen Strom. Nach Ende der Nutzung kann und wird es sicherlich ohne Schäden für die Umwelt wiederverwertet werden. Ein Atomkraftwerk dagegen erzeugt bereits bei der Beschaffung des Rohstoffs Uran Leid an Mensch und Tier, bedroht beim Betrieb der Reaktoren Leib und Leben von Millionen von Menschen, erzeugt bei der Wiederaufbereitung von Brennstäben hochgiftige Substanzen und hinterlässt einen radioaktiven Abfall, dessen sichere Endlagerung für die nächsten 100.000 Jahre weder technisch noch finanziell geregelt ist. Gerade hier sollte das Vorsorgeprinzip, wie bei Cadmium vorgebracht, gelten: Der einzige Weg, Risiken auszuschließen, die mit der Verwendung von Uran verbunden (nicht nur assoziiert!) sind, ist, von ihrem Einsatz abzusehen. Liebe Politiker, ein Verbot des Einsatzes von Uran würde dem Wohl dieser Erde und der darauf lebenden Wesen wesentlich mehr bringen, als eine Beschränkung des Wettbewerbs bei Solarzellen durch das geplante Cadmiumverbot. RICHARD LAUSSER, Schorndorf
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