Land kriegt Gegenwind

Das NRW-Wirtschaftsministerium bringt die Windenergie als Verursacher des europaweiten Stromausfalls ins Gespräch – und bekommt Ärger. Kritiker schimpfen über „Populismus“

VON KLAUS JANSEN
UND MORITZ SCHRÖDER

Opposition und Verbraucherschützer werfen der NRW-Landesregierung vor, den europaweiten Stromausfall für eine politische Kampagne gegen die Windenergie nutzen zu wollen. Ein Sprecher von CDU-Wirtschaftsministerin Christa Thoben hatte am Sonntag die Einspeisung von Strom aus Windkraftanlagen in das Netz des Stromversorgers Eon als möglichen Grund für den Blackout genannt. Einen Tag später erntet die Behörde dafür Gegenwind: „Die Vorwürfe sind an den Haaren herbeigezogen“, sagte die frühere NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne). „Ideologen“ innerhalb der schwarz-gelben Landesregierung versuchten, „die Windkraft mit populistischen Argumenten systematisch niederzumachen“.

Nach Angaben des Bundesumweltministeriums deutet bislang nichts darauf hin, dass die Zufuhr von Strom aus Windkraftanlagen das Netz kurzzeitig überlastet habe. „Das ist eine dumme These“, sagte Staatssekretär Michael Müller (SPD) der taz. Aribert Peters, Chef des Bundes der Energieverbraucher, nannte es „grotesk“, dass ausgerechnet der Windenergie nun die Schuld für den Ausfall in die Schuhe geschoben werde.

Die großen Energieunternehmen wie Eon und RWE sind verpflichtet, Strom aus Windkraftanlagen in ihr Netz einzuspeisen. Die Menge der Zufuhr hängt dabei von der Windstärke ab. Bei besonders kräftigem Sturm kann die Spannung im Netz ansteigen. Am Samstagabend wehte der Wind allerdings nicht übermäßig: Die deutschen Windräder lieferten nach Angaben des Bundesverband Windenergie zum Zeitpunkt des Stromausfalls nur 30 Prozent ihrer möglichen Megawattleistung. „Es war nicht zu viel Wind im Netz“, sagte ein Sprecher. Zwar seien einige Anlagen abgeschaltet worden – allerdings erst nachdem die Spannung im Netz bereits zu schwanken begonnen habe.

Der Düsseldorfer Energieversorger Eon übernahm gestern offiziell die Verantwortung für den Stromausfall. Auf eine genaue Ursache für die Panne im Netz will sich das Unternehmen jedoch noch nicht festlegen. „An der Windkraft hat es aller Voraussicht nach aber nicht gelegen“, erklärte gestern eine Sprecherin. Am wahrscheinlichsten sei es jedoch, dass die Abschaltung einer Leitung im Emsland der Hauptgrund für die Kettenreaktion von Überspannungen und Zusammenbrüchen gewesen sei. Gemeinsam mit der Bundesnetzagentur will der Konzern nun den genauen Ablauf untersuchen.

Ministeriumssprecher Joachim Neuser verteidigte gestern seine Auskunft vom Sonntag. „Wir machen keine Politik, wir stellen Sachverhalte fest“, sagte er der taz. Fachleute des Ministeriums hätten auf Probleme mit der Einspeisung der Windenergie hingewiesen. Da sich der europäische Netzbetreiberverband UCTE in einer ersten Erklärung ähnlich äußerte, habe er dies als „eine von mehreren Ursachen“ der Presse genannt. „Ich habe dabei ganz bewusst den Konjunktiv verwendet“, sagte er.

Kritiker nehmen der Landesregierung ihre Neutralität jedoch nicht ab: Christoph Maurer, Energieexperte an der RWTH Aachen, stufte die Aussagen des Ministeriums in einem Interview mit wdr.de als „politisch“ ein. Tatsächlich ist die schwarz-gelbe Landesregierung nicht gerade für ihre Liebe zur Windkraft bekannt: Im Landtagswahlkampf 2005 trat vor allem die FDP gegen eine „Verspargelung der Landschaft“ durch Windräder an. Im Koalitionsvertrag wird ausdrücklich vor einer „Überförderung der Windenergie“ gewarnt.

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