Darfur-Truppe nach nebenan

UNO, USA und Frankreich erwägen Blauhelmentsendung in den Tschad und in die Zentralafrikanische Republik. Die Länder werden von Darfur aus destabilisiert

BERLIN taz ■ Nachdem eine UN-Truppenstationierung im umkämpften sudanesischen Darfur wohl aufgrund des Widerstands der Regierung des Sudan nicht klappt, wird nun stattdessen eine UN-Intervention in den kriselnden Nachbarländern Tschad und Zentralafrikanische Republik erwogen. Dies folgt auf die Ausbreitung bewaffneter Auseinandersetzungen in die an Sudan angrenzenden Regionen dieser Länder. Die Regierungen beider Staaten machen Sudans Regierung dafür verantwortlich, die das abstreitet.

Die neue Marschroute der internationalen Gemeinschaft wurde in den letzten Tagen von zwei internationalen Akteuren vorgegeben: den USA, wo der Druck für ein militärisches Eingreifen gegen die ethnischen Säuberungen in Darfur am größten ist; und Frankreich, das in Tschad und der Zentralafrikanischen Republik Truppen stationiert hat. Der US-Sonderbeauftragte für Sudan, Andrew Natsios, sagte letzte Woche, sein Land suche nach einer „Alternative“ zu einer UN-Blauhelmstationierung in Darfur. US-Präsident George Bush bekräftigte, es gehe um eine „effektive internationale Truppe“. Dies gilt als diplomatische Art, von einer UN-Mission abzurücken und stattdessen die bestehende afrikanische Beobachtermission beispielsweise durch Nato-Unterstützung kampffähig zu machen.

Sudans Regierung lehnt die Ende August vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Erweiterung der bestehenden UN-Mission im Südsudan auf Darfur strikt als „imperialistische Einmischung“ ab. Seit sie den UN-Sondergesandten Jan Pronk vor zwei Wochen zur unerwünschten Person erklärte, stehen die Bemühungen um einen Kompromiss am Nullpunkt. Rückendeckung erhielt Sudans Präsident Omar el-Beshir beim am Samstag zu Ende gegangenen sinoafrikanischen Gipfel in Peking, wo die meisten Staaten Afrikas zusammen mit der chinesischen Führung die zunehmend engen Beziehungen zwischen China und Afrika gefeiert haben.

Während die Kämpfe in Darfur anhalten – am 29. Oktober kamen bei Massakern regierungstreuer Milizen in der Region Jebel Moon 63 Menschen ums Leben –, hat die Instabilität die Nachbarländer Tschad und Zentralafrikanische Republik ergriffen. Hunderte von Menschen sind im Osten des Tschad ums Leben gekommen, seit Rebellen dort am 21. Oktober eine Großoffensive auf Regierungstruppen begannen. Sie nahmen am 23. und 24. Oktober kurzzeitig die Städte Goz Beida und Am Timan ein, und am 30. Oktober kam es zu einer weiteren für die Regierungstruppen äußerst verlustreichen Schlacht. Nach offiziellen tschadischen Angaben soll Sudans Luftwaffe die tschadischen Rebellen unterstützen, die sich im Dachverband UFDD (Union der Kräfte für Demokratie und Entwicklung) zusammengeschlossen haben. Beobachter der Afrikanischen Union bestätigen Luftbewegungen sudanesischer Transportflugzeuge im Grenzgebiet.

Die neue Rebellengruppe in der Zentralafrikanischen Republik, die sich aus abtrünnigen Soldaten des Präsidenten François Bozizé rekrutiert, heißt zum Verwechseln ähnlich: UFDR (Union Demokratischer Kräfte der Sammlung). Nach eigenen Angaben im April aus einem nicht genannten Nachbarland einmarschiert, sucht sie den Schulterschluss mit bereits im Norden des Landes aktiven Milizen und eroberte am 30. Oktober die Stadt Birao nahe der Grenzen zu Tschad und Sudan. In der Nordhälfte der Zentralafrikanischen Republik sind bereits hunderttausende von Menschen vor Plünderungen seitens der Armee und Milizen auf der Flucht.

In der Grenzregion zwischen Sudan, Tschad und der Zentralafrikanischen Republik gibt es keinerlei Grenzkontrollen oder staatliche Autorität, und die meisten Ethnien sind grenzüberschreitend vertreten. „Wie befürchtet, bedroht die Wiederaufnahme bewaffneter Auseinandersetzungen in Darfur und dem Osten des Tschad direkt die Stabilität der Zentralafrikanischen Republik“, erklärte das französische Außenministerium am Freitag. Am Vortag hatte die Regierung der Zentralafrikanischen Republik offiziell um die Entsendung internationaler Eingreiftruppen gebeten. Der französische UN-Untergeneralsekretär Jean-Marie Guéhenno, zuständig für Blauhelmmissionen, sagte: „Wir suchen nach einem Weg, wie eine Friedensmission es verhindern könnte, dass die Tragödie in Darfur sich zu einer größeren Tragödie im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik ausweitet. Wir prüfen verschiedene Optionen und wir werden eine Mission in diese beiden Länder schicken, um die Details genauer zu betrachten.“

DOMINIC JOHNSON