Jürgen Rüttgers zockt

Online oder offline? NRW-Landesregierung lässt Bundeskartellamt beim Thema Internet-Lotto warten. Staatsvertrag zum Glücksspielmonopol soll trotz EU-Warnung beschlossen werden

VON MARTIN TEIGELER

Nordrhein-Westfalen spielt mit dem Bundeskartellamt. Während fast alle anderen Bundesländer ihr Internet-Lotto gestern auf Druck der Bonner Kartellbehörde abgeschaltet haben, war der Online-Tippschein der staatlichen NRW-Lottogesellschaft Westlotto am Nachmittag weiter verfügbar. „Wir haben noch keine Anweisung der Regierung, das rauszunehmen“, sagte ein Westlotto-Sprecher zur taz. Ein Sprecher der NRW-Staatskanzlei sagte, man prüfe noch rechtliche Details.

Ende vergangener Woche hatte das Bundeskartellamt den Lottogesellschaften der 16 Bundesländer mit einem Zwangsgeld von jeweils einer Million Euro gedroht. Per Ultimatum forderte die Behörde die staatlichen Lottofirmen auf, ihre Internetangebote bis zum gestrigen Dienstag 24 Uhr für Lottospieler freizugeben, die ihren Wohnsitz nicht in dem entsprechenden Bundesland haben. Bislang teilen die Lotterien den Markt nach Bundesländern auf – auch im Internetspiel. Kunden, die online tippen wollten, mussten ihren Wohnort angeben und wurden so gezwungen, bei der Lottogesellschaft ihres Landes zu spielen. Deren Preise variieren stark, was dem Kartellamt missfiel.

„Obwohl nach einer gerichtlichen Beschwerde des Lottoblocks auch das Oberlandesgericht Düsseldorf den Sofortvollzug bestätigt hatte, passierte in den meisten Ländern nichts“, erklärte die Bonner Kartellamtssprecherin Irene Sewczyk den Hintergrund des Ultimatums. Grundlage für die Deadline war ein Beschluss der Wettbewerbshüter von Ende August. Ob Westlotto in NRW nun die Millionenstrafe zahlen muss, ist unklar.

Der Kleinkrieg um das Online-Lotto ist nur ein weiterer Konflikt im Dauerstreit um die Zukunft des staatlichen Glücksspielmonopols. Seit das Bundesverfassungsgericht Anfang des Jahres ein Grundsatzurteil zum Thema Sportwetten fällte, profiliert sich NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) als Verfechter des Staatsmonopols. Die Ordnungsämter an Rhein und Ruhr haben seitdem hunderte Wettbüros geschlossen und die Bezirksregierungen untersagten Bandenwerbung für private Wettfirmen wie Bwin (taz berichtete).

Am 13. Dezember wollen Rüttgers und seine Ministerpräsidenten-Kollegen die Null-Toleranz-Politik Gesetz werden lassen. Ein Staatsvertrag soll das Werben für Glücksspiele im Internet und im Fernsehbereich weitgehend einschränken und das Staatsmonopol, mit dem die Länder pro Jahr rund fünf Milliarden Euro einnehmen, noch ausweiten.

Widerstand gegen die Pläne von Rüttgers und den anderen Länderchefs kommt von der Europäischen Union aus Brüssel. EU-Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy will den Staatsvertrag zum Lotteriewesen nicht hinnehmen. Die Regelungen benachteiligten private Anbieter, sagte der irische Politiker. Sie widersprächen damit der Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt und verstießen so gegen EU-Recht. Niemand hindere Deutschland daran, strenge Regeln für das Glücksspiel zu erlassen. „Es müssen nur Regeln sein, die für jeden gleichermaßen gelten, also für private und staatliche Anbieter“, so McCreevy.

Kritik an der harten Haltung der CDU/FDP-Landesregierung kommt auch von einem NRW-Freidemokraten. „Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich in den kommenden Wochen einige Ministerpräsidenten vom Monopol distanzieren werden“, sagte Detlef Parr, sportpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Auch die schwarz-gelbe Koalition solle noch einmal über ihren Standpunkt nachdenken.