Castor-Festspiele feiern Bergfest

Norddeutsche Anti-Atomkraftinitiativen rufen zum Widerstand gegen den Castor-Transport am Wochenende auf. Am Sonntag werden die zwölf Atommüllcontainer in Niedersachsen erwartet. Behörden setzen atomkritische Schüler unter Druck

VON MARCO CARINI

Voraussichtlich am Freitagabend soll der Atommülltransport mit zwölf Castor-Behältern voll strahlender Fracht die französische Wideraufbereitungsanlage in La Hague in Richtung Atomzwischenlager Gorleben verlassen. Nach den Planungen der Atomindustrie soll der radioaktive Abfall am Sonntagnachmittag in Dannenberg eintreffen, dort auf große Straßentransporter umgepackt und anschließend zum Bestimmungsort gekarrt werden.

Damit dieser Transport nicht reibungslos abläuft, haben zahlreiche Anti-Atom-Initiativen aus ganz Norddeutschland „vielfältige Widerstandsaktionen“ an der Transportstrecke geplant. Rund 10.000 Polizisten sollen nach Auskunft des niedersächsischen Innenministeriums genau solche Störmanöver verhindern.

Die heiße Phase der Proteste wird am Freitag um 9.30 Uhr mit einer Schülerdemo in Lüchow beginnen, um die es bereits im Vorfeld erhebliche Auseinandersetzungen gegeben hat. Weil das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in diesem Fall mit dem Grundrecht auf Bildung kollidiere, untersagte der Landkreis Lüchow-Dannenberg die Schulpflicht-verletzende Protest-Aktion. Die zuständige Schulbehörde forderte Rektoren und Lehrer auf, Beurlaubungen und unentschuldigte Abwesenheit nicht hinzunehmen. Eine lokale Elterninitiative hingegen appelliert an die Schulleitungen, Zivilcourage zu fördern und auf jegliche Sanktionen gegenüber Schülern zu verzichten, denen Atomprotest an diesem Tag wichtiger sei als Algebra.

Zentrale Veranstaltungen des wendländischen Anti-Castor-Wochenendes sind am Samstag ab 13 Uhr die Auftaktkundgebung im Ortszentrum von Gorleben und am Sonntagmorgen ab 7 Uhr ein „Widerstandsfrühstück“ mit anschließender Kundgebung auf dem Dahlenburger Marktplatz. Zeitgleich wird eine Rallye starten, bei der die Anti-Atom-Aktivisten versuchen werden, die Polizei-Sperrriegel zu durchbrechen, um Sitzblockaden auf der Transportstrecke durchzuführen.

Das Anti-Atombündnis rechnet mit einem relativ starken Widerstand gegen den insgesamt zehnten Castor-Transport ins Wendland. „Mehrere tausend“ Kernkraftgegner“ würden zu den Protestaktionen erwartet. Jochen Stay von der Initiative „x-tausendmal quer“ weist darauf hin, dass erstmals seit vielen Jahren der Transport an einem Wochenende stattfindet. Zudem könnten die Diskussion um die Verlängerung der AKW-Laufzeiten, der Atom-Unfall im schwedischen Forsmark und die von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) losgetretene Debatte um die Eignung Gorlebens als Atomendlager viele Kernkraftgegner mobilisieren, die in den vergangenen Jahren während der „Castor-Festspiele“ zu Hause geblieben seien.

Natürlich wissen die Atomkraftgegner, dass ihnen die Polizei „militärisch überlegen“ und eine Verhinderung der Atommüll-Anlandung auch in diesem Jahr nicht realistisch ist. „Wir veranstalten kein Geländespiel, sondern wollen ein Zeichen für den Ausstieg aus der Atomkraft setzen“, betont deshalb Initiativensprecher Stay. Da die Atomtransporte „die Achillesverse der Atomindustrie“ seien, gehe es auch in diesem Jahr darum, „den Transport so schwer und teuer wie nur möglich zu machen“, ergänzt Atomgegner Fritz Storim.

Mit dem zehnten Castor-Transport ist laut Jürgen Auer von der Brennelemente Gorleben GmbH die Halbzeit der Lieferungen von hochradioaktivem Müll nach Gorleben erreicht. „Insgesamt muss Deutschland rund 130 Castor-Behälter aus der Wiederaufarbeitung zurücknehmen“, erklärte Auer gestern. Die Gesamtzahl der Behälter steht fest, weil Deutschland längst keine abgebrannten Brennelemente mehr in die Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague in Frankreich und Sellafield in England schickt.

Aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague sind noch drei Lieferungen von je zwölf Behältern für 2008, 2009 und 2010 vorgesehen. Ab 2012 sind dann noch vier Transporte von je sechs Castor-Behältern aus England in das Zwischenlager geplant. Momentan stehen genau 63 Castoren in der Gorlebener Zwischenlagerhalle – am Montag werden es aller Voraussicht nach 75 sein.