„Fahne der Menschenrechte“

LESUNG Der Journalist Werner Hörtner über die schwierigen Friedensverhandlungen in Kolumbien

■ 66, der Journalist hat für die Zeitschriften Lateinamerika anders und Südwind gearbeitet.  Foto: Irmgard Kirchner

taz: Herr Hörtner, in Deutschland ist allenfalls bekannt, dass Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der größten Guerillaorganisation, der FARC, stattfinden. Sie sind gerade aus Kolumbien zurückgekehrt. Was sind Ihre Eindrücke?

Werner Hörtner: Es gibt zwei wichtige Punkte: Anfang März wurde ein neues Parlament gewählt. Daraus ist das Regierungslager von Präsident Juan Manuel Santos zwar als Sieger hervorgegangen, aber er hat weder im Abgeordnetenhaus noch im Senat eine Zweidrittelmehrheit. Gesetze, wie mögliche Verfassungsänderungen im Kontext des Friedensabkommens, bedürfen jedoch einer solchen Mehrheit und darum muss der Präsident mit dem Lager um den erzkonservativen Ex-Präsidenten Álvaro Uribe Vélez verhandeln.

Klingt, als blockiere der Ex-Präsident den Friedensprozess?

Sein Lager blockiert, wo es kann. Hinter Álvaro Uribe Vélez hat sich die Agrar-Oligarchie versammelt, die vom Friedensabkommen wenig zu erwarten hat. Auch mit der organisierten Kriminalität und dem Drogenhandel wird sein Lager in Verbindung gebracht.

Ist Frieden in Kolumbien nach rund 50 Jahren Bürgerkrieg unter diesen Vorzeichen überhaupt realistisch?

Ich denke schon, denn Juan Manuel Santos möchte als Präsident des Friedens in die Geschichte eingehen. Und aus wirtschaftspolitischer Perspektive könnte ein Friedensschluss zu weiteren Investitionen in das neoliberale Wirtschaftsmodell der Regierung führen.

Welche Rolle spielt Hamburg als Hafenstadt da?

Kolumbien ist der wichtigste Kohlelieferant für Deutschland und die Kohle wird über Hamburg importiert.

Wird die Stimme der kolumbianischen Zivilgesellschaft bei den Verhandlungen gehört?

Die Partizipation der Zivilgesellschaft hat letztlich kaum stattgefunden, obwohl es etwa von den Nasha, einer indigenen Ethnie im Süden Kolumbiens, interessante Versöhnungskonzepte gibt. Sie bringen Opfer bzw. Angehörige von Opfern und Täter dazu, miteinander zu sprechen.

Sollten wir in Deutschland ein Auge auf Kolumbien haben?

Wir in Europa halten gerne die Fahne der Menschenrechte hoch, brüsten uns, sie zu verteidigen. Nehmen wir das ernst, müssen wir gegenüber Kolumbien wachsam sein.  INTERVIEW: KNUT HENKEL

Lesung „Kolumbien am Scheideweg. Ein Land zwischen Krieg und Frieden“ mit Werner Hörtner: 19 Uhr, Instituto Cervantes, Chilehaus