Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Die zeitgenössischen deutschen Rezensenten konnten mit den fantastischen Abenteuerserials von Louis Feuillade meist wenig anfangen: Ihnen fehlten Logik und Stringenz in den wilden Verbrechergeschichten um Mord und Hypnose, Entführungen und Schießereien, halsbrecherische Fluchten und täuschende Verkleidungen. Für die französischen Cineasten hingegen hatte die wilde Poesie von Feuillades trivialen Sensationsmelodramen stets Vorbildcharakter: Filmemacher wie Georges Franju, Alain Resnais, Jacques Rivette und Olivier Assayas haben sich in ihrem Werk mehr oder weniger direkt auf Klassiker wie „Fantomas“ (1913), „Les vampires“ (1915/16) und „Judex“ (1916) bezogen. Obwohl mit Feuillades bewährten Serial-Ingredienzien versehen, ist sein 1918 entstandenes 12-teiliges Werk „Tih Minh“, das jetzt im Arsenal mit Flügelbegleitung von Eunice Martins an vier Abenden mit jeweils drei Episoden gezeigt wird, etwas weniger bekannt, aber nicht minder aufregend. Erzählt wird die Geschichte des Forschers und Abenteurers Jacques d’Athys, der mit seiner Verlobten Tih Minh und dem treuen Diener Placide von einem Asienaufenthalt nach Nizza zurückkehrt. Alsbald werden die drei von den Nachstellungen einer Bande von Schurken und Agenten heimgesucht, die ihnen das Geheimnis einer Inschrift entreißen wollen, das zu einem indischen Schatz führt. (14./15./17./18. 5. Arsenal)

Kommissar Stevenson (Thomas Mitchell) hat in Robert Siodmaks Krimi „The Dark Mirror“ (1946) ein Problem: Tatverdächtige in einem Mordfall sind die eineiigen Zwillinge Terry und Ruth Collins (beide Olivia de Havilland). Eine von ihnen ist die Täterin, aber welche? Ein Psychiater soll testen und helfen. Da Siodmak hier einen psychologischen Film noir und keinen Ratekrimi inszeniert, kommt man der Täterin schnell auf die Spur: Die eine Schwester ist selbstsüchtig, sie steht meist im Schatten, und ihre Kleidung wird immer dunkler. Die andere Schwester ist warmherzig, sie steht im Licht, und ihre Kleidung wird immer heller. Nicht schwierig, sich zu entscheiden, oder? (OF, 9. 5. Zeughauskino)

Katastrophenstimmung im Regenbogenkino: Geprägt von surreal-bitterem Humor zeigt Richard Lesters „The Bed Sitting Room“ (1968), wie sich die Bewohner Londons (unter ihnen Ralph Richardson und Rita Tushingham) drei Jahre nach einem Atomkrieg in London wieder einzurichten versuchen. Ebenfalls surreal gestaltete Lester seine Antikriegsgroteske „How I Won the War“ (1966), in der John Lennon als britischer Soldat im Zweiten Weltkrieg seinen einzigen nicht-musikalischen Schauspieleinsatz hatte. (The Bed Sitting Room (OF) 9./12. 5.; How I Won The War (OF) 9./11. 5. Regenbogenkino)