Angriff im Gaza-Streifen fordert 18 Tote

Bei einem israelischen Panzerbeschuss auf ein palästinensisches Wohnhaus in Beit Hanun sterben auch zahlreiche Frauen und Kinder. Der militärische Arm von Hamas ruft zu Angriffen auf US-Ziele auf. Israel setzt die höchste Alarmbereitschaft in Kraft

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Kurz vor sieben Uhr morgens erreichten die ersten Ambulanzen das Al-Awda-Krankenhaus im nördlichen Gaza-Streifen. „Sie brachten Tote mit abgerissenen Armen, Jugendliche, die auf dem Operationstisch starben“, berichtet die Krankenhausmanagerin Mona al-Farra, die normalerweise erst eine Stunde später ihren Dienst aufnimmt. Als sie gestern die Nachricht von dem israelischen Angriff auf ein Familienhaus in dem benachbarten Beit Hanun erreichte, rannte sie sofort zum Krankenhaus. Insgesamt starben 18 Menschen, die meisten davon Mitglieder einer Familie. Der militärische Arm der Hamas rief die Muslime weltweit zur Vergeltung auch gegen US-amerikanische Ziele auf.

„Eine Tante weinte, als ein vierjähriges Mädchen in den OP geschoben wurde“, berichtete al-Farra. Das Mädchen sei die einzige Überlebende der Familie gewesen. Vor den Türen des Krankenhauses spielten sich Szenen der Hysterie ab. „Die Bevölkerung ist komplett traumatisiert.“ Stunden später gab es die ersten Demonstrationen in Gaza: „Macht Fotos, sagt der Welt, was hier passiert“, rief eine aufgebrachte Frau.

Acht Kinder und vier Frauen befinden sich, Informationen des palästinensischen Gesundheitsministeriums zufolge, unter den Toten. Die Opfer wurden im Schlaf von dem Artelleriefeuer überrascht. Israels Verteidigungsminister Amir Peretz äußerte Bedauern über den Vorfall und gab Anweisung, den Artilleriebeschuss vorerst einzustellen. Erst einen Tag zuvor hatte die israelische Armee die Operation „Herbstwolken“ zur Eindämmung der Bedrohung palästinensischer Kassamraketen für beendet erklärt.

Die Invasion konzentrierte sich von Beginn an auf die Kleinstadt Beit Hanun, aus deren Umgebung die meisten Kassamraketen abgeschossen werden. Laut Armeeberichten wurden im Verlauf der Invasion zahlreiche Raketenwerfer, Antipanzerraketen, Granaten, Sprengstoff und Gewehre konfisziert. Der gestrige Angriff, der auf ein etwa 500 Meter südlich von den Wohnhäusern liegendes Ziel gerichtet war, wie die Armee mitteilte, folgte nachrichtendienstlichen Informationen über einen geplanten Raketenabschuss auf die südisraelische Stadt Aschkelon. „Der Artelleriebeschuss ist weniger genau“, räumte Vize-Verteidigungsminister Efraim Sneh ein, „deshalb muss darauf verzichtet werden, wenn Zilivisten gefährdet sind.“

Während Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den anhaltenden palästinensischen Raketenbeschuss als Mitursache für die erneute Eskalation sieht, rief der Sprecher der Hamas-Regierung, Ghazi Hamad, der sonst als eher moderat gilt, zum ersten Mal zur „Vernichtung Israels“ auf. Ähnlich scharfe Töne verlauteten aus dem Politbüro der Bewegung in Damaskus. Chaled Meschal erklärte die Waffenrufe für beendet. Die Hamas könne nicht nur reden sondern auch handeln, meinte der radikale Hamaschef, der der USA die Verantwortung für das „Massaker“ in Beit Hanun zuschrieb. Laut einer Mitteilung an die Nachrichtenagentur AP rief der militärische Flügel der Bewegung die Muslime in der Welt dazu auf, „Amerika eine harte Lektion zu erteilen“. Die USA sorgten für den „politischen, finanziellen und logistischen Deckmantel der zionistischen Besatzungsverbrechen“.

Die israelische Regierung rief aus Furcht vor palästinensischen Anschlägen zur höchsten Alarmbereitschaft auf. Der israelische Online-Dienst „ynet“ meldete, Polizeichef Mosche Karadai habe angeordnet, die Sicherheitsmaßnahmen an den Einfahrten großer Städte, an belebten Orten sowie in den Stadtzentren zu verstärken. Auch an den Grenzübergängen sei höchte Wachsamkeit der Sicherheitskärfte gefordert.

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