Jobcenter tun wenig gegen Dumpinglöhne

ARBEIT Viele Arbeitslose nehmen nach Vermittlungen des Jobcenters Tätigkeiten mit sittenwidrigen Löhnen auf. Eine Studie bemängelt nun, dass die Jobcenter die Angebote viel zu wenig prüfen

Eine arbeitslose Frau bekam vom Jobcenter eine Stelle als Bürokraft vermittelt. Würde sie den Job nicht annehmen, drohten ihr Sanktionen. Für die Vollzeitstelle sollte sie aber nur einen Stundenlohn von etwas über 4 Euro bekommen. Die Frau hatte Glück: Sie traf, noch bevor sie zusagte, auf den Beratungsbus der Aktion „Irren ist amtlich – Beratung kann helfen“, einer Aktion des Berliner Arbeitslosenzentrums. Nachdem diese den Fall öffentlich gemacht hatte, zog das Jobcenter das Angebot zurück.

Der Fall, so geschehen Mitte September 2013, war Anlass für die Berliner Armutskonferenz und den DGB Berlin-Brandenburg, das Thema sittenwidriger Löhne in Zusammenhang mit den Vermittlungen der Jobcenter genauer untersuchen zu lassen. Eine Studie, die am Donnerstag vorgestellt wurde, zeigt nun vor allem: Es gibt kaum Daten zur Frage, wie oft Arbeitslose in sittenwidrige Beschäftigungsverhältnisse vermittelt werden. Und offenbar gibt es auch wenig Interesse daran: Weder die Arbeitsagentur noch die Jobcenter erheben Daten darüber, wie oft es zu Beschwerden oder Klagen gegen sittenwidrige Löhne kommt.

Markus Wahle vom Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise, der die Studie erstellt hat, hatte alle Berliner Jobcenter angeschrieben und um die Beantwortung eines Fragebogens gebeten. Nur das Jobcenter Treptow-Köpenick erklärte sich bereit, die Fragen zu beantworten – was auch daran lag, dass die Berliner Regionaldirektion der Arbeitsagentur den Jobcentern offen „abgeraten“ hatte, an der Studie teilzunehmen.

Die Jobcenter sind eigentlich verpflichtet, bei sittenwidrigen Löhnen gegen die jeweiligen Unternehmen zu klagen, um sich die Summe, die sie als Aufstockung gezahlt haben, zurückzuholen. Gespräche mit Jobcentermitarbeitern im Rahmen der Studie ergaben allerdings, dass die wenigsten Jobcenter klagen. In vielen Fällen wird nichtöffentlich ein Vergleich gefunden, viele werden schlichtweg gar nicht bekannt.

Die Strukturen zur Vermeidung von sittenwidrigen Löhnen, kritisiert Wahle, seien nicht ausreichend: Angebote würden in den meisten Jobcentern nicht geprüft, es gebe keine Beratung zu sittenwidrigen Löhnen. Im Gegenteil: So wurden etwa im Jobcenter Neukölln Arbeitnehmer, die von sittenwidrigen Löhnen betroffen waren, in eine zwölfwöchige Maßnahme gesteckt – um zu lernen, wie sie mit ihren Chefs über Lohnerhöhungen verhandeln können. JULIANE SCHUMACHER