NATALIE TENBERG ÜBER HABSELIGKEITENICH BIN EINE KÄUFERIN, KEINE MACHERIN. UND GERADE JETZT IN DER VORWEIHNACHTSZEIT WOHL EIN ECHTER FREAK
: Toilettenpapierrollen-Adventskalender sehen auch so aus

Am Sonntag kaufte ich beim Blumenhändler unten im Haus einen Adventskranz. Nichts Besonderes, sondern einen schlichten Ring aus Tannenzweigen, auf dem vier rote Kerzen stecken, Zimtstangen und auch noch ein paar hässliche falsche Äpfel, vermutlich aus Wachs. „Das hätten wir auch alleine hingekriegt“, wollte ich, die Streichholzschachtel ruhte noch in meiner Hand, der am Tisch versammelten Kleinfamilie sagen, tat es dann aber doch nicht. Denn Dinge selber machen liegt mir einfach nicht. Ich bin eine Käuferin, keine Macherin, und gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit wohl ein echter Freak.

Es ist ja nicht so, dass mir der zivilisatorische Rückschritt, mit dem ich so Dinge wie Marmeladekochen und Töpfern verbinde, völlig gegen den Strich geht. Nein, ich finde es sogar recht anheimelnd, wenn ich auf dem Pfad in die Vergangenheit das Manufactum-Stadium überspringen kann und lerne, wie aus einem Tennisball und einer roten Serviette ganz easy eine Christbaumkugel wird. Oder wie man Kerzen gießt. Mein Problem ist nur, dass ich erstens über relativ wenig Geschick verfüge und zweitens nicht wirklich nachvollziehen kann, weshalb es besser sein soll, ein Vogelhäuschen zu bauen, anstatt die dafür aufgebrachte Zeit mit einem Buch zu verbringen.

Die Individuen in meiner Umgebung hingegen vermitteln, trotz hochgradiger Abhängigkeit von Datendiensten und Müllabfuhr, gerne den Eindruck, es gäbe für sie nichts Schöneres. So wird, was man problemlos bei Edeka besorgen könnte, aufwändig selbst hergestellt. Pesto, Nudeln, sogar Joghurt. Ich verstehe natürlich, dass man einen selbstgebackenen Keks oder Kuchen mit einem besseren Gewissen an die Kinder verfüttert als ein Fertigprodukt. Aber welchen Nutzen bringt es, Adventskalender aus Toilettenpapierrollen zu basteln, die am Ende immer noch aussehen wie zusammengeleimte, angemalte Toilettenpapierrollen? Was bringt es denn, wenn der Turnbeutel ausnahmsweise mal nicht von Hello Kitty ist, sondern krakelige Linien ein dem erwachsenen Auge nicht einleuchtendes Muster bilden sollen? Wenn man dann noch zugibt, dass einem als Geschenk der Sudoku-Block lieber gewesen wäre als die Schuhkartonkrippe mit den Kastanienmännchen und -tierchen, bricht sofort die Entrüstung über angebliche Herzenskälte aus.

Ergebnis des Ganzen ist, dass die Menschen, gerade im Dezember, riesige Angst davor haben, ein Wochenende ohne Schere, Kleber, Pinsel oder Strickliesel zu verbringen. Und weil man etwas tun muss, während der Stollen im Ofen backt, nehmen Menschen, die besser die Finger davon lassen sollten, die Handarbeit auf. Dutzende von Magazinen widmen sich dem Thema, mit Unterkategorien wie Laterne, Fensterbild oder Quilt, und es gibt in jeder Fußgängerzone Geschäfte, die keine richtigen Sachen verkaufen, sondern nur Teile, aus denen mit viel Glück Sachen werden könnten.

Sollte ich es mit der Handarbeit doch versuchen, dann erst im nächsten Jahr. Mit ein wenig Fantasie nämlich kann man mit drei, vier Pfeifenreinigern hervorragende Karnevalskostüme basteln. Angeblich.