Einer wird fehlen

Fünfter Bettlermarsch am Samstag zum ersten Mal ohne Holger Hanisch, dafür mit Gewerkschafts-Unterstützung

Seine Freunde hatten es ihm zugesagt. Am Sterbebett versprochen, sein politisches und soziales Erbe anzunehmen, sein „Cafée mit Herz“ fortzuführen und den Hamburger Bettlermarsch wieder auf die Beine zu stellen. Morgen wird ein Teil dieses Versprechens eingelöst werden, wenn um elf Uhr am Spielbudenplatz der fünfte Hamburger Bettlermarsch beginnt. Zum ersten Mal ohne Initiator Holger Hanisch, der im Oktober verstarb.

Veranstaltet wird der Umzug weiterhin vom Cafée mit Herz und seiner neuen Leiterin Margot Wolf. Im vergangenen Jahr habe sich die Besucherzahl der Einrichtung auf dem ehemaligen Hafenkrankenhausgelände verdoppelt, weiß Wolf zu berichten: von 120 auf heute rund 250 Hilfesuchende am Tag. Dabei seien nur noch etwa 30 Prozent der Besucher obdachlos, immer mehr ALG-II-Empfänger aber auf die hier verteilten Mahlzeiten sowie die Unterstützung bei Behördengängen angewiesen.

„Wir sehen, dass in St. Pauli immer mehr Menschen abgleiten“, sagt Sieghard Wilm, Pastor der St. Pauli-Kirche. Die Meile rund um die Reeperbahn sei ein „Viertel, in dem die verschiedenen Gesichter der Armut besonders deutlich werden und unglaubliche soziale Kontraste aufeinanderknallen“. Er kenne Kinder, sagt Wilm, die keinen Zugang zur Bildung hätten, weil niemand ihnen eine Brille bezahle. Aber erst diese würde ihnen ermöglichen, lesen zu lernen. Themen wie dieses wolle man „auf die Straße bringen“.

Aktive Unterstützung erfährt der Bettlermarsch in diesem Jahr erstmals von den Hamburger Gewerkschaften, insbesondere von ver.di-Chef Wolfgang Rose, der auf der gegen zwöf Uhr beginnenden Zwischenkundgebung auf dem Großneumarkt sprechen wird. Für den Schauspieler Rolf Becker, der beim Abschluss am Gerhard-Hauptmann-Platz gegen 14 Uhr das Wort ergreifen will, ist die Gewerkschaftsbeteiligung ein Zeichen für einen „neuen Blickwinkel und ein verstärktes Nachdenken“ der Arbeitnehmerorganisation über die „sich verändernde soziale Lage“. MAC