Autoritärer Nasarbajew lädt zum Gipfel

KASACHSTAN Am Mittwoch beginnt in Astana das OSZE-treffen. Innenpolitische Reformen – Fehlanzeige

Im Jahr 2010 erhob das Parlament Präsident Nasarbajew zum „Führer der Nation“

AUS ASTANA MARCUS BENSMANN

Die Party kann beginnen. Mit einem pompösen Gipfeltreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit zelebriert der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew am Mittwoch die bis zum Jahresende währende OSZE-Präsidentschaft des zentralasiatischen Landes. Der autokratische Herrscher, der das rohstoffreiche Land seit 1989 regiert, lädt die Regierungschefs der Welt zu einer zweitägigen Konferenz in die Hauptstadt Astana. Dort sollen sie Beschlüsse zu Afghanistan, Kirgistan und zur OSZE fällen.

Zeitungen und das Fernsehen in Kasachstan preisen seit Wochen den Ruhm und die Ehre, die dem Land und dessen Präsidenten durch die Zusammenkunft zuteil werden. Lediglich Wikileaks kann die Freude etwas trüben. Anstelle des US-Präsidenten reiste Außenministerin Hillary Clinton mit großen Tross an. Es ist ihre erste Zusammenkunft mit so vielen Staatschefs nach der Veröffentlichung der Diplomatendepeschen – darunter auch unerfreuliche Details über Korruption und Vetternwirtschaft in Kasachstan.

Dem Ruf Nasarbajews in die Steppe folgten 36 Amtskollegen einer Organisation, die 56 Staaten von Kanada bis Tadschikistan an der chinesischen Grenze umfasst. Bundeskanzlerin Angela Merkel fliegt Dienstagnacht in Astana ein. „Die Tatsache, dass sie alle sich auf der höchsten Ebene treffen, ist schon ein Erfolg“, sagt der Generalsekretär der OSZE, Marc Perrin de Brichambout.

Das zentralasiatische Land hat sich herausgeputzt. In Astana sowie in den anderen Städten bis hin zum kleinsten Weiler weht an jeder Straßenecke die Fahne mit dem Emblem der OSZE, deren Mitglieder sich zu Demokratie und Beachtung der Menschenrechte verpflichten.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gingen deren Nachfolgestaaten in der OSZE auf. Ungeachtet dessen etablierten sich vor allem in Zentralasien autokratische Präsidialregime. Auch Kasachstan machte da keine Ausnahme.

Obwohl keine der dort abgehaltenen Wahlen den demokratischen Standards der OSZE entsprach und regierungskritische Medien, Oppositionsparteien und Menschenrechtler unter Druck stehen, erhielt das Land 2010 den OSZE-Vorsitz.

Vor allem die USA und Deutschland erhofften sich dadurch einen Reformanstoß in dem zentralasiatischen Land, der auf die gesamte Region ausstrahlen sollte. Das Gegenteil passierte. „Die Menschenrechtssituation hat sich verschlechtert“, bilanziert die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Es sei ein enttäuschendes Paradox, dass Kasachstan zwar große Aktivitäten als OSZE-Vorsitzender entwickelt, aber kaum Reformschritte im eigenen Land eingeleitet habe.

Während des OSZE-Vorsitzes erhob das kasachischen Parlament, in dem nur die Partei der Macht vertreten ist, per Gesetz Präsident Nasarbajew zum „Führer der Nation“. Der Titel stattet den 70-Jährigen samt Familie mit Privilegien und Straffreiheit aus und schützt ihn vor „Beleidigung“. Die kasachische Regierung verweist hingegen auf Reformen im Strafvollzug.

Vor allem Russland, aber auch Kasachstan sind daran interessiert, dem Sicherheitsgedanken in der OSZE gegenüber dem demokratischen Anspruch Vorrang zu geben. Aber auch bei dem Sicherheitsaspekt konnte die OSZE im Jahr der Präsidentschaft Kasachstans, noch dazu in der direkten Nachbarschaft des Landes, nicht überzeugen. Die OSZE ist nach den ethnischen Juniunruhen in Südkirgistan bis heute trotz einstimmigen Beschlusses der Organisation nicht in der Lage, eine internationale Polizeiberatungstruppe in die Krisenregion zu entsenden.