Undankbare Verirrte
: Can I help you?

Die Touris kuckten mich an wie einen Stasitypen

Touristen zu helfen ist auch nicht so einfach. Im Bahnhof Potsdamer Platz fragte ich zwei verirrt wirkende Damen mit Stadtplan, wo sie denn hinwollten. Zum Alexanderplatz. „You must go to S-Bahn. Not here, this is Fern-, äh Regionalbahn.“ Während ich wild mit den Armen ruderte, um ihnen zu zeigen, dass sie erst rauf, dann kurz dahinter wieder die Treppen runter müssten, sagten sie etwas, das polnisch klang, hätte aber auch Rumänisch sein können.

„Are you from Poland?“, fragte ich sie. Das kam gar nicht gut an. Die Ladys verweigerten die Antwort und schauten beleidigt nur noch auf ihren knitterigen Faltplan. „Or Russia?“, murmelte ich. Die Frauen schlichen vorsichtig weiter, und da fiel mir ein, dass ich ihnen besser gesagt hätte, sie sollten mit der U-Bahn fahren. Aber mein „better take U-Bahn or change at Friedrichstreet“ hörten sie wohl schon nicht mehr.

Ein paar Tage später ergriff ich die nächste Chance, Fremden zu helfen. Am westlichen Ausgang des U-Bahnhofs Heinrich-Heine-Straße stand ein Touripärchen desorientiert in der Dunkelheit. „Can I help you?“ Ja gern, mir suchet die Oranienstraße. Oh no, da wärt ihr besser eine Station weiter gefahren. Bis Stuttgart 21, hätte ich am liebsten gesagt. Hier ist Osten, hier seid ihr total falsch. Kreuzberg ist da hinten. Ich zeigte in die Dunkelheit. Ihr geht an einer Kirchenruine vorbei und dann durch den Todesstreifen. Schöne Strecke. Gibt’s sogar ein Cafe am Ententeich.

„Oschten?“ Ob sie denn nicht auch geradeaus gehen könnten? Alles Osten sagte ich, total hässliche Plattenbauten und ein Lidl. Die Touris kuckten mich an wie einen gefährlichen, durchgeknallten Stasitypen. „Ich bin Kreuzberger“, schrie ich wie eine Drohung, als ich in die Pedale trat. Sie drehten sich um und liefen dann doch tatsächlich die helle hässliche Heinrich-Heine-Straße entlang. „Feiglinge“, brüllte ich, „unbelehrbare“!

ANDREAS BECKER