Verkaufe Grundstück inklusive Entwurf

PILOTPROJEKT Wer im Vogelkamp in Hamburg-Neugraben bauen will, muss sich für einen von 14 Bebauungs-Entwürfen entscheiden. Eine Architekturbörse fungiert als Vermarkterin – und funktioniert

VON JOACHIM GÖRES

„Neue Baugrundstücke im Süden Hamburgs. Informieren Sie sich auf der Architekturbörse.“ So steht es auf den Plakaten und Flyern, die 800 Bauwillige an den Hamburger Stadtrand jüngst nach Neugraben gelockt hatten. Sieben Architekturbüros präsentierten im Bürgerzentrum Süderelbe an ihren Ständen Zeichnungen, Computersimulationen und Modelle ihrer Entwürfe für das neue Baugebiet Vogelkamp, das bis 2016 fertiggestellt sein soll.

Viele junge Paare mit Kindern, aber auch ältere Bauwillige schauen sich die Texte und Bilder an den Stellwänden an und kommen mit den Planern ins Gespräch. „Die meisten wollen erstmal wissen, was das Ganze kosten soll, dann kommen Fragen nach der möglichen Zahl der Zimmer“, sagt Anne-Julchen Bernhardt, Architektin bei der BEL Sozietät für Architektur Bernhardt und Leeser in Köln.

BEL hat ein Ausbauhaus entwickelt, bei dem je nach Lebenssituation Decken und Trennwände in Holzbauweise eingesetzt werden können, um mit wenig Aufwand zusätzlichen Wohnraum etwa für ein Kind zu schaffen.

135 Grundstücke stehen im Vogelkamp zur Verfügung, die zwischen 170 und 650 Quadratmeter groß sind. Das Besondere: Wer dort bauen will, muss sich für einen der 14 Entwürfe entscheiden. Sie wurden von der Internationalen Bauausstellung Hamburg GmbH (IBA) ausgewählt, die im Auftrag der Stadt Hamburg die Kriterien festgesetzt hat.

Dazu zählen Preisobergrenzen (ein Einfamilienhaus darf maximal 340.000 Euro kosten, ein Reihenhaus 290.000 Euro), der Effizienzhaus-Standard 55 muss erreicht werden, Förderrichtlinien müssen erfüllt werden. „Bei der Gestaltung und den verwendeten Materialien der Häuser haben die Architekten freie Hand“, sagt IBA-Prokuristin Karen Pein.

Auch auf die künftige Struktur nimmt man Einfluss: 55 Einfamilienhäuser, 70 Reihenhäuser, sechs Doppelhäuser und vier maximal viergeschossige Wohnungshäuser sollen entstehen. Dabei werden die Reihen- und Mehrfamilienhäuser zunächst Baugemeinschaften angeboten, damit befreundete Familien nebeneinander wohnen können. „Wir legen Wert auf eine stabile Nachbarschaft“, sagt Pein.

Mit der Architekturbörse versuchen die IBA-Macher die Aufmerksamkeit auf einen abgelegenen Stadtteil zu lenken. „Neugraben ist weit weg vom Zentrum und meiner Arbeitsstätte, kulturell ist hier auch wenig los. Wenn man wie wir nördlich der Elbe wohnt, dann überlegt man lange, ob man in den Süden geht und lange Wege in Kauf nimmt“, sagt Julian Lahme, der sich mit Frau und Kind die Bauplätze vor Ort und die verschiedenen Entwürfe für Reihenhäuser und Doppelhäuser anschaut.

Die Lahmes wollen eventuell gemeinsam mit einem weiteren Paar bauen. Dass sie bei der Gestaltung eingeschränkt wären, stört Lahme nicht: „Ich bin selber Architekt und finde die IBA-Vorgaben gut. Bei vielen Neubaugebieten läuft es einem kalt den Rücken runter, es sieht oft alles gleich hässlich aus.“

Manfred Rübke lebt bereits in Neugraben und schätzt die grüne Umgebung wie auch die gute S-Bahn-Anbindung. Er schaut sich die Entwürfe für die Häuser an, die Baugemeinschaften angeboten werden. „Ich habe niemanden, mit dem ich konkret so ein Projekt plane, aber grundsätzlich finde ich es gut, wenn mehrere Generationen unter einem Dach leben. Vielleicht kann man hier mit anderen an einer Baugemeinschaft Interessierten Kontakt aufnehmen“, sagt der Rentner.

Auch er begrüßt, dass die Bauwilligen sich für einen Entwurf entscheiden müssen. „Hier in der Nachbarschaft konnte bei einem gerade fertiggestellten Baugebiet jeder bauen wie er wollte, das sieht nicht sehr glücklich aus. Für das Erscheinungsbild einer Siedlung ist es besser, wenn es Kriterien gibt.“ Inzwischen sind rund die Hälfte der 135 Grundstücke für Bauwillige reserviert. „Wir sind mit der Resonanz zufrieden“, sagt IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg.

Demnächst will ein Bauträger einen der Entwürfe in Neugraben als Musterhaus realisieren. Davon erhofft sich Hellweg weitere Interessenten. Sollten nicht alle Grundstücke an private Bauherren verkauft werden, können sich später auch Investoren und Baugesellschaften um Grundstücke bewerben. Auch sie sind an die Entwürfe gebunden.

Hellweg war einst in Berlin tätig und hat dort vor 15 Jahren erste Erfahrungen mit einer Architekturbörse gemacht. „Damals lag der Wohnungsmarkt in Berlin am Boden. Wir haben in der Rummelsburger Bucht Entwürfe für einen neuen Stadthaustyp in Auftrag gegeben, der auch für Baugemeinschaften von Interesse war. Die Nachfrage bei Käufern war groß, weil es solch ein Angebot damals in Berlin nicht gab“, sagt Hellweg und ergänzt: „Man braucht einen Organisator, der Preis und Qualität zusammenbringt, um Baugebiete, um die sich nicht sowieso alle reißen, erfolgreich zu vermarkten.“

Das Urteil von Julian Lahme fällt etwas anders aus: „Die Preise im Vogelkamp sind für Hamburger Verhältnisse günstig, aber für uns ist das dennoch zu viel Geld.“