HARALD KELLER DER WOCHENENDKRIMI
: Unterschätzter Dauerläufer

Die Montage zum Auftakt, die den Zuschauer einfangen soll, funktioniert vortrefflich. Ein laufender Junge im Wald, ein knorriger Flintenträger auf einem Quad, ein Bildhauer, ein Bankräuber, dann noch etwas, was wie ein Drogenlabor aussieht, eine Leiche und …

Nein, auch wenn es sich nur um den Anfang handelt, soll nichts weiter verraten werden. Außer vielleicht: Man glaubt, das Geschehen durchschaut zu haben und delektiert sich dank eines vermeintlichen Wissensvorsprungs leis lächelnd an den beflissenen Bemühungen der Kriminalisten. Doch Obacht – Drehbuchautor Johannes Betz, gerade erst mit „Die Spiegel-Affäre“ hervorgetreten, hat einen sehr verkniffelten Kriminalfall ausgeheckt, der dem guten Ruf dieser Kriminalreihe sehr gerecht wird.

Seit 2003 ermittelt Ulrike Kriener in der Rolle der Titelfigur und es zählt zu den ärgsten Versäumnissen des deutschen Fernsehpreiswesens, dass sie, einen Bayerischen Fernsehpreis ausgenommen, für die stetige hochkarätige schauspielerische Leistung nicht zureichend gewürdigt wurde. Kriener verleiht ihrer Kommissarin nach all den Jahren immer noch Nuancen, die das Zuschauen zur Freude machen.

In der aktuellen Episode beginnt Lucas die Ermittlungen mit unbeteiligter Routine – sie übt diesen Beruf täglich aus, was viele andere Kommissar-Darsteller missachten –, wird aber nach und nach von den Geschehnissen erfasst und tief berührt. Damit kein falsches Bild entsteht: Sämtliche Parts sind stets bestens besetzt, neben Kriener und Tilo Prückner ist Michael Roll von Anfang an dabei. Ihre Figuren sind älter geworden, wurden vom Leben geprägt, und die uneitlen Schauspieler machen kein Hehl daraus. Wenn „Kommissarin Lucas“ eine wöchentliche Serie wäre, man dürfte sie in einem Atemzug mit britischen Topproduktionen wie „Prime Suspect“ und „Broadchurch“ nennen.

„Kommissarin Lucas: Kettenreaktion“, Sa., 20.15 Uhr, ZDF